Dieser Mann ist leider tot
Wurstbrötchen gegessen hatte, stieg Augustus wieder in seinen kleinen Honda Civic. Ein wenig Zeit hatte er noch totzuschlagen, ehe das ›Happy Puppy Pet Emporium‹ um zehn öffnete, und auch wenn er mindestens eine Stunde vorher da sein mußte, um nach den ›Viechern‹ zu sehen, würde es ein quälend langer Tag werden, wenn er jetzt schon dort einträfe. Also beschloß er, eine Weile spazierenzufahren. Der Verkehr war schlimm – die Leute fuhren zur Arbeit und so weiter –, aber Gus gefiel das Getriebe in der Innenstadt, vor allem in der Umgebung des Hauptplatzes mit seinen Springbrunnen und der wacker aussehenden Statue von Lafayette.
Zweimal umkreiste er den Platz, fuhr dann südwärts, vorbei an ›Charlie Joseph’s‹ (wo sie die besten Chili-Hotdogs der Welt machten), und rollte schließlich die Hines Street hinunter, wo der ›Chattahoochee Valley Art, Film, and Photography Salon‹ war.
Als er einen Blick nach rechts warf, sah er eine gutaussehende Frau – sie trug hochhackige Schuhe, ein Schneiderkostüm und einen breitkrempigen Hut, wie ihn die Models auf dem Cover von Veras Vogue manchmal trugen – auf die Veranda vor dem Salon heraustreten; sie schloß die Glastür hinter sich ab und kam die Treppe herunter in den winzigen, ummauerten Vorhof. Hier war nur noch ihr Hut sichtbar. Sie drehte sich um und bewegte sich um den Salon herum zum Parkplatz.
Hinter Gus drückte ein ungeduldiger Neun-bis-fünf-Angestellter auf die Hupe und versuchte, ihn damit über die Ampelkreuzung zu pusten, ehe die Ampel wieder rot würde. Schließlich setzte Gus den Honda wieder in Bewegung, aber seine Gedanken kreisten hauptsächlich um die Tatsache, daß er soeben Grace Rinehart gesehen hatte, die oberste Schirmherrin des ›Art, Film, and Photography Salon‹, und daß die berühmte Schauspielerin und die mysteriöse Person, die Cal gestern morgen zwei Breschnew-Bären abgekauft hatte, ein und dieselbe Person waren.
Gus kam sich töricht vor. Er hätte darauf kommen können. Aber Grace Rinehart hatte nicht gewollt, daß irgend jemand ihre wahre Identität erkannte. Deshalb war sie inkognito gekommen und hatte bar bezahlt.
Was steckt dahinter? fragte sich Gus und merkte schon, daß er Sodbrennen bekam. Habe ich Schwierigkeiten? Sitzt Pickford in der Tinte? Sie hat uns bespitzelt. Sie brauchte bei mir keine Breschnew-Bären zu kaufen. Ihr Mann ist der Knabe, der die Viecher als erster von Mütterchen Rußland hierher gebracht hat. Jetzt züchtet er sie selbst, drüben in Woodbury. Ich kriege meine »Bären« aus der Großhandlung Berthelot. Wenn Miss Rinehart sie bei mir kauft, könnte ebensogut ein Scheich herüberfliegen, um sich im Supermarkt eine Dose Öl zu kaufen. Es sei denn, natürlich, die Dame hätte höhere Motive. Aber was für welche?
Schließlich lenkte Gus seinen Honda auf die vierspurige Ausfallstraße und fuhr darauf entlang, und dabei dachte er an Miss Rinehart. Sie mußte die Nacht im Salon verbracht haben. Wegen ihrer zahlreichen Beiträge zu dieser Einrichtung und wegen ihrer führenden Beteiligung an der Renovierung des Gebäudes hatte der Vorstand des Salons ihr im ersten Stock eine Suite eingeräumt. Gerüchten zufolge verbrachte sie mehr Abende in diesem Haus als auf dem Berthelot-Anwesen, denn ihr Mann war oft in Washington. Jedenfalls konnten Hiram und Miss Grace heute nicht mehr dauernd zusammenleben; sie taten es auch nicht, und für manche Leute war dieses Privatleben Stoff für giftige Spekulationen.
So munkelte man beispielsweise allenthalben, Miss Rinehart lade sich manchmal alte Hollywood-Kameraden nach LaGrange ein – Starschauspieler aus den sechziger und frühen siebziger Jahren – und bitte sie dann mitten in finsterer Nacht zu ›Wiedersehensfeiern‹ in den Salon. Ein ›Rinehart-und-Sowieso‹-Filmfestival. Oben im Vorführraum sahen sie und ihr Gast sich einen ihrer alten Filme und dann einen seiner alten Filme an, und dann vielleicht noch einen, in dem sie beide mitgespielt hatten – und so weiter, abwechselnd einen Starfilm nach dem anderen, bis sie sich, der Ego-Orgie in Zelluloid müde, in ihre verborgene Suite zurückzogen, um dort zusammen ein konventionelleres Festival der Ausschweifung zu veranstalten.
Gus fand diese Gerüchte ebenso prickelnd wie jeder andere, aber er schenkte ihnen nicht viel Glauben. Miss Rinehart war für die Gemeinde wertvoll; sie war eine Frau, die einmal dazu beigetragen hatte, die Flut des Negativismus zu wenden, die gedroht hatte,
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