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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Gleichwohl wußte er anscheinend, was er tat, und wenn er nicht so faszinierend wirkte wie Mr. Cason, so lag es, das war Lia klar, eher an seiner körperlichen Erscheinung und seiner jungenhaften Stimme als an Talentmangel, daß man diesen Eindruck hatte.
    Während er stolzierte und redete, sagte Grace: »Dies ist nicht nur Amerikulturation, Lia; es ist eine Art Selbstsicherheitstraining. Wir bringen nur die Männer in diesen Saal, und wir lassen sie den Prolog aus ›Patton‹ vortragen, weil das ein echter Flaggenschwenker ist, der vom Vortragenden verlangt, daß er diese selbstverleugnende asiatische Vornehmheit abstreift, die ihre Konkurrenzfähigkeit hier im Westen untergräbt.«
    »Amen«, sagte Ralph C. Pollard.
    Eine verrückte Teeparty, dachte Lia. Alles, was ich hier gesehen habe, ist eine Einladung zum Abendessen mit dem Märzhasen und der Schlafmaus. Aber bevor sie weiter über den Irrwitz dieser und anderer FAZ-Aktivitäten nachdenken konnte, schob sich Grace an ihr vorbei und winkte ihr, zu folgen, und sie verließen das Auditorium, bogen in einen anderen Korridor ein und gingen – es war ein weiter Weg – zu einem Zimmer ganz anderer Art.
    Hier blieben sie vor der Tür stehen; sie war, anders als die bisherigen, zu und abgeschlossen. Lia schaute durch eine Glasscheibe in den Raum, die durch ein Drahtgitter zu einem Netz aus ineinander verschränkten Diamanten verstärkt war. Auf sechs einfachen Betten lagen sechs komatöse Menschen, die allesamt, wenn Hautfarbe und Physiognomie irgendeine Bedeutung hatten, aus dem Nahen Osten kamen und wahrscheinlich Araber waren. Zwei von denen, die hier bewußtlos auf den mönchischen Pritschen lagen, waren junge Frauen. Irgendwelche Elektroden oder Sensoren waren mit Pflasterstreifen an die Pulsstellen der Person – an Armen, Kehlen und Schläfen – befestigt, und alle trugen gepolsterte Kopfhörer. Lia sah, daß zwar alle die Augen geschlossen hatten, daß aber die Augäpfel unter den Lidern verzweifelt hin und her zitterten. Ein Ausdruck, wie er bei Epilepsieopfern verbreitet ist, kam und ging auf den jugendlichen Gesichtern. Ein Mann in verknittertem weißen Kittel bewegte sich zwischen den Betten umher und überwachte sowohl seine Patienten als auch das Tonbandgerät, an dessen hypnagogische Propaganda sie kollektiv angeschlossen waren.
    »Sie brauchen’s mir nicht zu erklären«, sagte Lia. »Ich kann’s mir denken.«
    »Die Drogen haben keine schädlichen Nebenwirkungen«, versicherte Grace ihr. »Sie erhöhen bei unseren Subjekten nur die Empfänglichkeit für die Tonbänder.« Sie wandte sich an Pollard. »Was hören sie heute?«
    »Es sind Neuankömmlinge, Grace. Palästinenser. Sie erhalten eine Einführungslektion in arabischer Sprache über die Unantastbarkeit einer jeden Person und über die Notwendigkeit, unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst. Et cetera. So fremd ist das nicht für sie. Wir werden dann übergehen zu den demokratischen Idealen und den praktischen Befriedigungen des Kapitalismus, sobald wir sie in den Grundlagen umfassend indoktriniert haben. Sie mit den Freuden amerikanischer Popkultur vertraut zu machen – nun, damit werden wir warten müssen, bis wir sicher sind, daß sie nicht in den Fanatismus zurückfallen.«
    Wie definierst du Fanatismus? dachte Grace. Ich könnte dir eine Definition liefern, die dich, Grace, und all die anderen FAZ-Zauberer einschließt, die sich bemühen, eine sichere Welt für Nabisco, die Fruit Company, die Chrysler Corporation und die CIA zu schaffen.
    Unvermittelt hallte ihnen ein qualvoller Schrei durch den langen Korridor entgegen. Auf den Schrei folgte das Geräusch schneller Schritte – ein Aufruhr, der in der Verlassenheit und Düsternis des Zentrums völlig unerwartet kam. Lia schaute zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und sah, wie einer der jungen Männer aus dem U-Bahn-Raum um die Ecke gejagt kam, von der Wand abprallte und ihnen auf halbem Wege in dem langen Gang entgegenstolperte. Sein Blick war wild und entsetzt. Als er sie sah – speziell Pollard und Miss Grace –, blieb er stehen und beugte sich in den Hüften vornüber, als sei er völlig außer Atem; dann richtete er sich wieder auf, reckte einen hageren Arm in die Luft und schrie: »Ich bin kein gottverdammter Amerikaner, ihr Geier! Ich bin nicht aus Indianapolis! Ich bin Vietnamese! Wenn ich solche Würdelosigkeiten in diesem Haus erdulden muß, dann – pfui! – dann spucke ich darauf!« Er spuckte auf das

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