Dieser Mann macht mich verrückt
Worte auszusprechen, fiel ihm nicht leicht. Aber er wollte sich nicht mehr wie ein egoistisches Arschloch aufführen, er musste seine Verantwortung endlich akzeptieren.
Ungläubig öffnete sie die Lippen. Würde er sich doch noch zu ihr bekennen? In ihren tränennassen Augen erschien ein Hoffnungsschimmer. So inständig wünschte sie sich, er würde ihre Träume erfüllen. »Du bist kein Volltrottel.«
Jetzt durfte er nichts vermasseln. Sonst könnte er nie mehr in den Spiegel schauen. Er legte seinen Arm um ihre Schultern. Sofort versteifte sie sich, als fürchtete sie, er würde von ihr wegrücken, wenn sie sich bewegte. Schon jetzt begann sie ihn zu beanspruchen. Resignierend umfing er sie etwas fester. »Wie sich ein großer Bruder verhalten soll, weiß ich nicht, Riley. Im Herzen bin ich noch ein Kind.«
»Das bin ich auch«, erwiderte sie ernsthaft.
»Wirklich, ich wollte dich nicht anschreien. Ich war nur - besorgt. Was du durchmachst, verstehe ich.« Mehr konnte er nicht sagen. Noch nicht. Und so stand er auf und zog sie mit sich hoch. »Nun werden wir dein Zimmer nach Mördern absuchen, und danach kannst du beruhigt einschlafen.«
»Oh, ich fühle mich schon jetzt viel besser. Und ich glaube, da drin sind gar keine Mörder.«
»Das glaube ich auch. Trotzdem werden wir nachschauen. Nur zur Sicherheit.« Dann kam ihm eine Idee, eine alberne Möglichkeit, den Kummer wieder gutzumachen, den er ihr bereitet hatte. »Aber ich muss dich warnen. Manchmal sind die großen Brüder, die ich kenne, ziemlich gemein zu ihren Schwestern.«
»Was meinst du?«
»Zum Beispiel öffnen sie die Schränke ihrer Schwestern und schreien, als hätten sie ein Monstrum entdeckt. Nur um sie zu erschrecken.«
Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel und funkelte in ihren Augen. »So was würdest du nicht tun.«
Grinsend hob er die Brauen. »Vielleicht doch. Wenn du mir nicht zuvorkommst...«
Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Schreiend rannte sie in ihr Schlafzimmer. Plötzlich hatte er eine Schwester, ob es ihm passte oder nicht.
Bald mischte sich auch Puffys Gebell in den Radau. Wegen des allgemeinen Durcheinanders überhörte Dean die schnellen Schritte, die ihm folgten. Ehe er wusste, wie ihm geschah, traf eine harte Faust seinen Rücken. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Als er sich umdrehte, sah er seinen Vater vor sich stehen, das Gesicht vor Zorn verzerrt. »Rühr sie bloß nicht an!«
Jack packte Riley, die jetzt in echter Angst kreischte, während die Hündin immer schriller kläffte und um beide herumhüpfte. »Alles okay«, beteuerte er und presste sie an sich. »Nie wieder lasse ich ihn in deine Nähe.« Zärtlich streichelte er ihr zerzaustes Haar. »Das verspreche ich dir. Pack deine Sachen, wir reisen sofort ab.«
In Deans Brust ballten sich Wut, Verbitterung und Hass. Dieses Chaos bestimmte seit zu vielen Tagen sein Leben. Seufzend stand er auf. Riley umklammerte Jacks Hemd, schnappte nach Luft, versuchte zu sprechen, doch sie war zu hysterisch, um Worte zu finden.
Als Dean den Widerwillen in der Miene seines Vaters las, empfand er eine seltsame Genugtuung. Sehr gut, jetzt kommt alles ans Licht.
»Verschwinde!«, fuhr Jack ihn an.
Am liebsten hätte Dean ihn niedergeschlagen. Aber Riley hielt immer noch das Hemd ihres Dads fest. Endlich gehorchte ihr die Stimme wieder. »Nein, Dean hat nichts ... Alles war meine Schuld ... Weil er das Messer sah ...«
»Welches Messer?«, stieß Jack hervor und umfasste ihren Kopf mit beiden Händen.
»Das habe ich aus der Küche geholt«, japste sie.
»Was hast du mit einem Messer gemacht?«, überschrie er den Lärm der bellenden Hündin.
»Also, es war - ich dachte ...«
»Sie hatte Angst«, erklärte Dean.
Ehe er seinen Worten Nachdruck verleihen konnte, sprudelte Riley hervor: »Ich wachte auf, niemand war im Haus, da habe ich mich gefürchtet...«
Dean hörte nicht mehr zu und ging in sein Schlafzimmer. Soeben war er auf seine empfindliche Schulter gefallen, die nach der Keilerei mit Ronnie immer noch schmerzte. Zwei Kämpfe an einem Abend. Brillant. Während er zwei Tylenol-Tabletten schluckte, verstummte das Gekläff. Er zog sich aus, ging ins Bad und drehte den Duschhahn auf. So heiß, wie er es aushielt, ließ er das Wasser über seinen Körper fließen.
Ins Zimmer zurückgekehrt, sah er seinen Vater umherwandern. Im Haus war es still geworden. Wahrscheinlich schliefen Riley und Puffy. »Ich will mit dir reden«, sagte Jack und wies
Weitere Kostenlose Bücher