Dieser Mann macht mich verrückt
Hände vors Gesicht. »Ja, ich weiß, es ist grauenhaft, und ich wollte es nicht. Aber mein Pinsel lief mir einfach davon. Diese Figur hätte ich übermalen müssen. Und die anderen auch ...«
»Gibt‘s noch mehr?«
»Auf den ersten Blick sieht man sie nicht.« Sie sank in einen Sessel zwischen den Fenstern. »Tut mir so leid«, wisperte sie. »So war‘s nicht geplant. Das ist ein Esszimmer. Und solche Bilder gehören in ein Kinderzimmer oder in eine Vorschule. Aber die Wände waren so perfekt, das Licht wirkte so exquisit, und ich wusste nicht, wie sehr ich mir wünschte, das zu malen.«
Anscheinend konnte er seinen Blick nicht von den Fresken losreißen. Wohin er auch schaute, überall entdeckte er etwas Neues. Am Himmel flog ein Vogel dahin, einen bebänderten Korb im Schnabel. Ein Regenbogen wölbte sich über einem Türrahmen, eine Wolke mit dem pausbackigen Gesicht einer alten Frau schaute auf den Zigeunerwagen herab. An der größten Wand tauchte ein Einhorn seine Nase in den Teich.
Kein Wunder, dass Riley diese Gemälde liebte. Und kein Wunder, dass April so beunruhigt gewesen war, als er sich danach erkundigt hatte. Wie konnte seine hartgesottene, scharfzüngige Blue etwas so Magisches, Traumhaftes schaffen?
Weil sie nicht hartgesotten war, hinter dieser Fassade verschanzte sie sich nur, um zu überleben. In ihrer Seele war sie feinfühlig, so verletzlich wie die Tautropfen, die sie auf Glockenblumen gemalt hatte.
Sie strich durch ihre Locken und stützte die Stirn in ihre Hände. »Schrecklich, nicht wahr? Das wusste ich schon, während ich malte. Trotzdem konnte ich es nicht verhindern. Irgendetwas in mir brach sich Bahn, und das alles strömte heraus. Natürlich gebe ich dir den Scheck zurück. Wenn du ein paar Monate wartest, zahle ich, was immer es kostet, diese Wände neu streichen zu lassen.«
Spontan kniete er vor Blue nieder und zog ihr die Hände vom Gesicht. »Hier wird nichts geändert«, entschied er und schaute eindringlich in ihre Augen. »Ich liebe deine Bilder.«
Und ich liebe dich.
Diese Erkenntnis durchfuhr ihn so leicht und mühelos wie ein Lufthauch. Als er den Aston auf dem Highway außerhalb von Denver gestoppt hatte, war er seinem Schicksal begegnet. Blue forderte ihn heraus, faszinierte und erregte ihn - o Gott, wie sehr sie ihn erregte. Zudem verstand sie ihn. Und er verstand sie ebenso gut. Diese Fresken zeigten ihm die Träumerin, die sich in ihr verbarg, die ihm am Montagmorgen davonlaufen wollte.
»Mach mir nichts vor«, bat sie. »Ich sagte doch, du würdest die Bilder abscheulich finden. Hätten deine Freunde das alles gesehen ...«
»Wenn meine Freunde das sehen, musst du dich nicht um mangelnden Gesprächsstoff am Esstisch sorgen, das steht fest.«
»Sie werden dich für verrückt halten.«
Sicher nicht, wenn sie dich kennen gelernt haben.
So ernsthaft, wie er sie noch nie gesehen hatte, erwiderte sie seinen Blick und schlang die Finger in sein Haar. »Du hast ein unbeirrbares Stilgefühl, Dean. Die Atmosphäre dieses Hauses ist total maskulin. Also weißt du, dass die Wandgemälde nicht dazu passen.«
»Nein, natürlich nicht. Aber sie sind unglaublich schön.« Wie du. »Habe ich dir schon mal gesagt, wie erstaunlich du bist?«
Forschend betrachtete sie sein Gesicht, und allmählich verwandelte sich ihr Kummer in Verblüffung. »Sie gefallen dir wirklich, nicht wahr? Das behauptest du nicht, weil du nett sein willst.«
»In wichtigen Dingen habe ich dich nie belogen. Die Fresken sind wundervoll - du bist wundervoll.«
Nun begann er sie zu küssen, die Augenwinkel, die Wangen, den Bogen in der Oberlippe. Der Raum zog beide in einen Zauberbann. Bald lag sie in seinen Armen. Er hob sie hoch, trug sie aus dem Haus, von einer magischen Welt in eine andere, in den Hafen des Zigeunerwagens. Von gemalten Ranken und fantasievollen Blumen umgeben, liebten sie sich. Schweigend. Zärtlich. Ein vollkommenes Glück. Endlich gehörte Blue ihm.
Für das leere Kissen, das er am nächsten Morgen neben sich sah, machte er sich selbst verantwortlich, weil er noch immer keinen Nachttopf gekauft hatte. Er zog seine Shorts und das T-Shirt an. Hoffentlich hatte Blue Kaffee gekocht, denn er wollte mit ihr auf der Veranda sitzen, eine ganze Kanne trinken und über den Rest des Lebens reden. Aber als er den Hof durchquerte, war der rote Corvette verschwunden. Er rannte ins Haus, wo ihn das klingelnde Telefon begrüßte.
»Kommen Sie sofort her!«, kreischte Nita, nachdem er
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