Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)
wenn die Vase nicht verschwindet. Seine Bilder waren hübsche Aquarelle, Erinnerungen an unsere Urlaubsorte, eine ganze Wand hing davon voll. Ich habe es nicht geglaubt, aber er hat sie tatsächlich alle zerrissen. Unsere Kinder, damals schon erwachsen, konnten es auch nicht fassen und verstanden meine Wut. Die Bilder waren weg, die Durchsetzungsfrage exemplarisch entschieden, und meine Wut war so groß, dass ich am liebsten abgehauen wäre. Doch wir rauften uns wieder zusammen, und unsere Ehe hält nun schon sechsundfünfzig Jahre– mit Toleranz und Humor!
Ich bin von Natur aus kein mutiger Mensch, aber neugierig und wissbegierig genug, um Ängste zu überwinden. Viele schöne, aufregende und manchmal gefährliche Erlebnisse wären mir entgangen, hätte ich mich nicht überwunden, vor allem auf unseren Segeltouren zu zweit. Lampenfieber aber hat mich mein Leben lang begleitet, auch beruflich als Journalistin.
Heute habe ich nur noch Angst vor Krankheit und Tod, den ich mit einem unvorstellbaren Nichts verbinde. » Oft denk ich den Tod, den herben und wie am Ende ich’s ausmach. Am liebsten möchte im Schlaf ich sterben und tot sein, wenn ich aufwach.« Das hat der Maler Carl Spitzweg geschrieben, und so wünsche ich es mir auch.
Liselotte Kaiser, 81 Jahre
Beim Nachdenken bin ich drauf gekommen, d ass ich relati v wenig geleistet habe
In der letzten Zeit habe ich im Heim die Hosen runtergelassen. Das heißt, ich habe viel darüber nachgedacht, was ich in den einzelnen Perioden meines Lebens gemacht habe. Und da bin ich drauf gekommen, dass ich relativ wenig geleistet habe. Zu wenig für meine Begriffe. Ich bereue das nicht, es ist aber eine Tatsache. Die Dinge sind immer auf mich zugekommen, und dann wurde ich mitgeschleift. Ich war aber an keiner Stelle überdurchschnittlich, auch in der Schule war ich nie Primus, nichts. Aber es kann ja auch nicht jeder König sein. Ich habe mitverfolgt, dass von meinen Schulfreunden auch keiner herausgetreten ist. Keiner von ihnen ist Minister, Supersportler oder was weiß ich geworden.
Obwohl ich beruflich eigentlich nichts gemacht habe, habe ich immer gut verdient. Noch heute wundere ich mich, dass ich sofort die Altersversorgung für Intelligenzler kriegte, als ich 1954 als Ingenieur im Kabelwerk Köpenick anfing. Meine Kollegen haben die erst zehn Jahre später gekriegt, wenn überhaupt. Mitte der fünfziger Jahre waren die Intelligenzler scharenweise in den Westen abgewandert. Und ich nehme mal an, dass daraufhin diese Versorgung eingerichtet wurde, um die Leute dazubehalten. Die Versorgung war damals sechzig Prozent des normalen Gehaltes als Rente.
Später wurde mein Job im Kabelwerk aufgelöst, weil das Fernsehgerät vom Typ Leningrad, für dessen Anfertigung wir eine Abteilung aufgebaut hatten, nicht mehr gefragt war. Aber rasch flog mir dann ein Posten als Abteilungsleiter einer Produktion von einer Haupthalle zu . A uch dort habe ich nicht viel geleistet, denn es war nicht viel zu tun, es lief alles von alleine. Ich hatte immer angenehme Vorgesetzte, die mich akzeptiert und geduldet haben, sowie gute Mitarbeiter, die gemacht haben, was ich von ihnen verlangt habe. Heute würde ich sagen, dass unsere Abteilung mit zwanzig Mitarbeitern überbesetzt war. Es ist nämlich vorgekommen, dass ich totgelaufen bin und dass ich auch ein bisschen unterfordert war, ich wurde immer nur zu Nebensächlichkeiten herangezogen.
In meiner Freizeit bin ich in eine Kegelgruppe reingerutscht. Im Ganzen war ich fünfzig Jahre im Kegelverein, das gibt’s doch gar nicht mehr. Ich habe sogar einen Ehrenpokal, weil ich bereit war, viele Jahre Vorsitzender zu sein. Dabei habe ich auch in dieser Funktion wenig geleistet. Aber die Gemeinschaft in dem Verein hat mir gut gefallen, das war schon ganz schön. Meine Frau hat auch gekegelt, im Verein war sie sogar in einer höheren Funktion tätig als ich.
Ich hatte kein schwieriges Leben, ich habe Glück gehabt und bin immer gut bedient worden. Schon im Krieg konnte ich mich durchschlängeln. Als ich in Russland als Soldat an der Front kämpfte, kriegte ich die Gelbsucht und wurde sofort ins Lazarett zurückgeschickt. Auch durch die Wende habe ich wie jeder normale DDR -Bürger Plus gemacht. Man kriegte Geld in harter Währung, konnte kaufen, was man wollte, und das Thema Reisen stand oben an. Ich kann mich also nicht beschweren. Demnächst werde ich neunundachtzig, das ist ja auch nicht wenig. Allerdings wollte ich gar nicht so alt werden, das
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