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Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Titel: Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane zu Salm
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während die anderen alten Herren ständig herumgedroschen haben.
    Oder ich hatte Glück, einen guten Beruf gefunden zu haben. Denn als ich aus der Gefangenschaft zurückkam, war das gar nicht so einfach, mit meiner Ausbildung als Kaufmann eine Stelle zu ergattern, die mir gefiel. Aber ein Schulfreund hat mir geholfen, in eine Bank reinzukommen, in der er auch arbeitete. Und man kann fast sagen, dass ich dort Karriere gemacht habe. Nach einem Jahr war ich stellvertretender Abteilungsleiter und später leitendes Mitglied der Bankfiliale, was ich mein Leben lang geblieben bin. Abgesehen von den kleinen Gehältern, die aber damals in der DDR üblich waren, hat mir die Arbeit Freude gemacht.
    Zu der Reihe Glück gehört natürlich auch meine Frau. Wir waren sehr verliebt gewesen damals, mit siebzehn haben wir schon die Tanzstunde zusammen gemacht. Und dann ist sie plötzlich ausgeschert und hat einen anderen kennengelernt, einen Oberfeldwebel. Doch sie kam zurück, wir heirateten und blieben bis zu ihrem Tod zusammen, insgesamt achtundsechzig Jahre.
    Und vielleicht gehört zu meinem Glück ja sogar dieses Zimmer. Dass ich das Glück hatte, hier gelandet zu sein, in diesem Heim. Die Zimmer waren früher viel kleiner und sind dann baulich erweitert worden. Wahrscheinlich kann man es auch als Glück bezeichnen, dass ich mit zweiundneunzig Jahren noch lebe und mich meine Tochter gleich besuchen wird. Ich bin zufrieden mit meinem Leben, wie Hansi Hinterseer einmal gesagt hat. Das hat mir gefallen, das sagen nicht viele Menschen.
    Gottfried Baumeister, 92 Jahre

Es ist doch schön zu wissen, anderen eine Freude gemacht zu ha ben
    Alles, warum es auch so ist, ich übergebe es dir. Wie oft ich dieses Stoßgebet in meinem Leben schon aufgesagt habe. Das Beten hat mir immer sehr geholfen, jedenfalls war es besser, als lange nachzugrübeln. Wie der Herrgott alles gefügt hat, sieht man, glaube ich, sowieso erst im Angesicht des Todes. Diese Haltung half mir, die zwei größten Schicksalsschläge in meinem Leben anzunehmen. Den frühen Tod meines Mannes im Alter von fünfunddreißig Jahren und dass meine Tochter mit vierzig Jahren starb, als sie beim Kirschenpflücken vom Baum fiel.
    Gebetet habe ich schon immer gerne. Ich erinnere mich noch, wie meine Mutter und meine Großmutter abends an meinem Bett standen und wir zusammen Stoßgebete aufsagten oder Schutzengel anriefen. Aber natürlich hatte ich auch meine eigenen Worte, mit denen ich zu Gott sprach: Herrgott, gib mir die Kraft, dass ich das alles durchstehen kann, betete ich jeden Mittag, als ich in der Lodenfabrik arbeitete. Nach dem Essen bin ich immer runter in die Kirche gelaufen. Auch wenn es nur fünf Minuten waren, die ich dort bleiben konnte, das brauchte ich. Um die ganzen Demütigungen und unwürdigen Arbeitsbedingungen in der Fabrik vierundzwanzig Jahre lang aushalten zu können.
    Ich habe das Gefühl, dass am Ende vor dem Herrgott zählt, ob man menschlich war, anderen eine Freude bereitet hat, und nicht, ob man viel geleistet hat. Deshalb habe ich mich bemüht, dies alles in meinen Möglichkeiten zu sein und zu tun. Zum Beispiel durch meine Arbeit in der Fabrik, damit meine drei Kinder studieren konnten. Oder auch durch meine Tätigkeit als Servicekraft im Seniorenclub. Die Leute freuten sich immer, wenn ich an ihren Tisch kam, Tee und Mehlspeisen servierte und ein bisschen mit ihnen plauderte. Doch das Schönste war, als ich meine Abschiedsfeier organisierte. Mit Musik, schönen Blumen und einem Büfett. Wie haben diese alten Leute gestrahlt! Eine Dame kam zu mir, umarmte mich und sagte: Das war etwas vom Schönsten, das ich in den alten Tagen erlebt habe. Und da dachte ich mir, es ist doch schön zu wissen, anderen eine Freude gemacht zu haben und auf diese Weise in deren Erinnerung zu bleiben. Das sind dann Dinge, die ich einmal hinterlassen werde, wenn ich gegangen bin. Das hoffe ich zumindest.
    Außerdem hoffe ich, dass ich mich vor meinem Tod noch ein bisschen zusammennehmen kann. Damit meine ich, dass ich noch ein bisschen Reue empfinden kann, wenn ich etwas falsch gemacht habe. Ich möchte noch die Möglichkeit haben, m ich zu entschuldigen, ich glaube nämlich an das Fegefeuer.
    Wichtig für mich ist, mich vorher auf den Tod einstellen zu können. Damit meine ich nicht, mich auf den Tod zu konzentrieren, sondern locker hineinzuleben, ganz unverkrampft. Heute dies, morgen das, das nächste Mal komme ich dran, so, auf diese Weise. Als meine Schwägerin

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