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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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nicht
ausstehen.« Ihre gerunzelten Brauen und ihr zitternder Mund zerrissen mir das
Herz, und gleichzeitig verärgerten sie mich. Ich dachte, wenn sie ein Mann
wäre, würde sie nicht eine solche Show vor mir abziehen. Und dann dachte ich,
aber wenn sie ein Mann wäre, dann wären wir nicht in dieser Lage, denn nur sehr
wenige Männer stellen ihre eigenen Interessen so hinter die ihrer Frauen, wie
sie es mit Doug tut. Es ist ein Dilemma, das wir unserer Erziehung verdanken,
und es ist nicht leicht, sich davon zu befreien.
    »Hör mal«, sagte ich, »ich gebe dir
noch mal eine Chance. Ich glaube, wir sind diese Sache falsch angegangen.«
    Sie nickte, schaute mich hoffnungsvoll
an und löste den Würgegriff, in dem sie das Glas gehalten hatte.
    »Ich weiß«, sagte ich, »ich habe dir
nur alltäglichen Kleinkram aufgeladen und mir nicht die Zeit genommen, dir
beizubringen, was du wissen mußt. Von nun an werde ich dir zusätzlich zu den
Routinearbeiten ein paar besondere Projekte übergeben.« Als sie etwas sagen
wollte, hob ich die Hand. »Ich weiß, das klingt gut, aber du darfst nicht
vergessen, daß diese Aufgaben zusätzliche Zeit erfordern, daß du lange und zu
ungewöhnlichen Zeiten arbeiten wirst. Du mußt vielleicht Doug vernachlässigen,
deshalb wäre es besser, wenn du es zuerst mit ihm besprichst.«
    »Ich werde mit ihm reden, sobald ich
heute abend heimkomme.«
    »Gut. Und wenn du ein paar Projekte
bearbeitet hast, unterhalten wir uns wieder, beurteilen deine Arbeit und
stellen fest, ob du wirklich für diesen Beruf geeignet bist.« Ach du lieber
Himmel, ich klang wie die typische Vorgesetzte. Ich konnte mir schon
vorstellen, wie ich in einigen Jahren einen Stab Assistenten dirigierte und sie
mit meiner grenzenlosen, in langen Berufsjahren erworbenen Weisheit beglückte.
    »Was ist das erste Projekt?« fragte
Rae.
    Meine Zukunftsvision schwand. »Das weiß
ich noch nicht. Wenn sich etwas ergibt, sage ich dir Bescheid. Könntest du in
der Zwischenzeit einmal versuchen, morgen pünktlich zur Arbeit zu erscheinen?«
    Ich merkte, daß sie enttäuscht war, daß
ich kein bestimmtes Projekt zu bieten hatte, und ich hoffte, daß mein etwas
schmeichelnder Ton nicht meine Autorität untergraben hatte. Es sollte sich
jedoch herausstellen, daß ich mir keine Sorgen machen mußte, ob sie am nächsten
Tag rechtzeitig in der Kanzlei erscheinen würde. Ich beschloß, daß sie etwas
essen mußte, bevor sie heimfuhr, und so gingen wir zu All Souls zurück, und ich
kochte uns einen Topf Spaghetti, wie das Hank in der guten alten Zeit immer
getan hatte. Jack und ein paar andere Bewohner des ersten Stockes gesellten
sich zu uns, wir tranken noch mehr Bier und Wein, und bevor ich mich umsah, war
Rae auf dem Sofa im Wartezimmer eingeschlafen. Ich deckte sie mit Jacks
Reservedecke zu und ging Doug anrufen — es bereitete mir ein grenzenloses,
sadistisches Vergnügen, ihm zu sagen, daß Rae erst morgen nach der Arbeit
wieder nach Hause käme.
     
    Der tiefblaue Morgenhimmel versprach,
daß dieser Freitag so schön werden würde wie der Vortag. Ich nahm meinen Kaffee
und meine Zeitung mit auf die Veranda, wobei ich die Rosenkohlpflänzchen, die
Zwiebeln, die Erde und die Düngemittel, die ich am Samstag gekauft und auf den
Stufen zu meinem verwilderten Garten abgestellt hatte, geflissentlich übersah.
(Die Crassula und die Pavianblume standen im Wohnzimmer.) Watney, der seine
Ausflüge nur für kurze Zeit eingestellt hatte, kam aus dem Gebüsch geschossen;
als er sah, daß ich nichts für ihn zu fressen hatte, verzog er sich wieder. Ich
ließ mich mit dem Chronicle nieder und fand nach einer Weile auf einer
der Innenseiten eine Spalte mit der Überschrift SUCHE NACH MORDVERDÄCHTIGEM
KONZENTRIERT SICH AUF DEN PARK.
    In dem Artikel wurde berichtet, daß
Robert Choteau, den man im Zusammenhang mit dem Mord an dem Hemdenfabrikanten
Rudy Goldring suchte, von verschiedenen Zeugen im Golden-Gate-Park gesehen
worden sei. Die Polizei konzentrierte ihre Suchaktion nun auf dieses Gebiet.
Das überraschte mich nicht. In den letzten Jahren ist der Park zu einer
Wohnstätte für viele Obdachlose der Stadt geworden; nach Schätzungen sollen bis
zu einhundert Menschen diese Grünanlage zu ihrem festen Heim gemacht haben.
    Natürlich hat der Park schon immer
Einsiedlern Unterschlupf geboten; einer der Zeugen, der berichtete, Bob gesehen
zu haben, war ein Bettler namens John. Dieser behauptete, schon seit einem
Dutzend Jahre dort zu leben, und

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