Dieser Sonntag hat's in sich
mich näher heran. Ich
ging bis zu dem Lichtkreis der Kerze und blieb außerhalb seiner Reichweite
stehen; den Revolver hielt ich weiter auf ihn gerichtet. Er sah mich an; seine
Augen waren jetzt klarer; und er schien mich zu erkennen.
»Sie sind die Privatdetektivin«, sagte
er. »Der Kapitän hat Sie beauftragt, Rinas Freund zu beschatten.«
»Wieso wissen Sie das?«
»Es gab nicht viel da, was ich nicht
wußte. Ich hab’ gelauscht. Man muß seine Interessen schützen.«
»Wußte Mr. Goldring, daß Sie Bescheid
wußten?«
»Du lieber Himmel, nein. Der Kapitän
war ein guter Mann, aber Menschen wie mich hatte er nicht auf der Rechnung. Ich
meine, er wollte, daß ich genug zu essen hatte, er hat mir Bier spendiert. Wenn
ich wollte, durfte ich im Schuppen neben der Garage schlafen. Aber als Person
existierte ich nicht für ihn. Verstehen Sie, was ich meine?«
Ich glaubte, daß er sich irrte; Rudy
Goldring hatte ihm immerhin fünftausend Dollar hinterlassen. Aber ich nickte
bloß.
»Aber«, fuhr Choteau fort, »er war
dennoch ein verdammt guter Mensch. Mich hat fast der Schlag getroffen, als ich
ihn da tot liegen sah.«
Ich senkte den Revolver und setzte mich
auf die Holzkiste in Augenhöhe mit ihm. Ich hatte keine Angst mehr, daß er
versuchen könnte, mich zu überwältigen. Er war betrunken und nicht auf der Hut.
Außerdem hoffte er, zehn Dollar zu bekommen.
»Erzählen Sie mir von dem Tag. Warum
sind Sie in die Wohnung hineingegangen?«
»Die Tür war offen. Ich war eine
Zeitlang weg gewesen, und ich dachte, der Kapitän wäre für einen Moment
hochgegangen. Als er nicht wieder herunterkam, hab’ ich geklingelt. Keine
Antwort. Deshalb bin ich nach oben... um zu sehen, ob alles in Ordnung war.«
Oder um zu sehen, ob du etwas stehlen
könntest, dachte ich. »Und weiter?«
»Da hat er in seinem Blut gelegen. Ich
hab’ mich schnell verdrückt. Leuten wie mir hängen die Bullen gern solche
Sachen an. Später hab’ ich gemerkt, daß ich meinen Beutel vergessen hatte.
Deshalb suchen sie mich wahrscheinlich.«
»Um welche Zeit war das?«
»Ein Uhr? Ich weiß es nicht genau. Ich
war gerade von dem Restaurant an der Ecke zurückgekommen, hatte geschaut, ob
sie irgend etwas Eßbares weggeworfen hatten. Also war es vielleicht später...
bis zwei Uhr servieren sie dort.«
»Sind Sie den ganzen Vormittag an Ihrem
Platz gewesen?«
»Nur bis zehn etwa. Der Kapitän ist aus
dem Büro gekommen und nach oben gegangen. Ich hab’ mich beschwert, weil ich
kein Bier mehr hatte, und er hat mir etwas Geld gegeben und gesagt, ich solle
in den Getränkeladen gehen.«
Mit Bier war Rudy Goldring freigebig
gewesen, sagte Choteau. Mir hatte Rudy erklärt, daß es harmlos sei, und ich
nahm an, daß er es insgeheim auch für klug hielt, Bob glücklich und zufrieden
zu wissen. Aber daß er ihm Geld gab und ihn in den Getränkeladen schickte, sobald
er sich beklagte... »Hatten Sie das Gefühl, daß er Sie loswerden wollte?«
Choteau zögerte. »Er hat die Kohle
ziemlich schnell rausgerückt.«
»Wann kamen Sie zurück?«
»Erst später, nachdem ich mich noch
beim Restaurant umgesehen hatte.«
»Gut, und nun zum Nachmittag. Wohin
sind Sie gegangen, nachdem Sie festgestellt hatten, daß Mr. Goldring tot war
und Sie die Wohnung wieder verlassen hatten?«
»Nach Haight. Ich wußte, daß ich aus
dem Viertel weg mußte, und ich hatte gehört, daß Red hier im Park wohnte. Ich
hab’ ‘ne Weile unten an der Stanyan Street rumgehangen, und ein paar Stunden
später hab’ ich ihn getroffen. Er hat mich hierhergebracht.«
»Und seitdem sind Sie hier?«
Seine Augen wichen meinem Blick aus.
»Ja.«
»Was war am frühen Sonntagmorgen, als
der Mann kam?«
»Welcher Mann?«
»Ein großer Typ. Schlank, glattes,
braunes Haar. Im Western-Stil gekleidet.«
»So jemanden habe ich hier in der
Gegend nie gesehen. Außer Red, dem Alten und mir war niemand hier.«
»Sie drei waren auch nicht hier — zumindest
nicht nach der Ankunft des Mannes. Haben Sie ihn irgendwo hingebracht?«
»Hören Sie mal, junge Frau. Ich weiß
nichts von einem Mann. Um ein Uhr morgens habe ich wahrscheinlich geschlafen.«
»Nicht an jenem Morgen. Ich bin hier
gewesen, und die Windmühle war leer.«
»Sie sind... Sie haben also
unsere Sachen durchwühlt!«
»Ja. Wo waren Sie?«
»Sie haben vielleicht Nerven, unsere
Sachen so zu durchwühlen.«
»Wechseln Sie nicht das Thema. Was ist
mit dem Mann passiert?«
»Ich hab’ gesagt, ich kenne
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