Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
Plötzlich wurde alles ganz still. Mella drehte sich zu mir, nahm meinen Kopf zwischen ihre Hände und gab mir einen Kuss. Auf den Mund. Einfach so. Aus dem Nichts. Ich vergaß zu atmen und wurde fast ohnmächtig. Meine Augen waren geschlossen. Aus einiger Entfernung hörte ich dumpfen Applaus. Ein Wunder war geschehen. Ein richtiges Wunder. Wenn ich vorher nur normal verliebt war, war ich es jetzt hundertmal mehr – hundert von hundert Punkten. Das Gefühl in meinem Bauch und meinem Herzen war so neu und außergewöhnlich schön, dass mir keine Beschreibung dafür einfällt. Ich erlebte einfach den besten Abend meines Lebens.
Als die Limousine uns wieder vor Tamtams Wohnung absetzte, war es schon weit nach Mitternacht. Die Mädchen waren müde und verabschiedeten sich von mir. Lars umarmten und küssten sie auch, aber ich war zu müde, um ihn zu treten. Ich war nur etwas traurig, dass Mella nicht bei Lars und mir schlafen wollte. Ich hätte ihn einfach aufs Sofa geschickt, dann wäre neben mir schön viel Platz gewesen. Wenigstens hatte ich mich getraut, sie zu fragen. Nur Sophia blieb. Ich machte den Vorschlag, noch in einen Puff zu gehen, aber Lars, die alte Lusche, erlaubte das nicht. Sophia lachte ihn deswegen aus und nahm mich in den Arm. Sie hielt zu mir. Das gefiel mir sehr. Tamtam winkte uns zum Abschied. Sophia, Lars und ich gingen Händchen haltend, ich in der Mitte, zum Auto, das vorne an der Hauptstraße parkte. Der Kiosk, der Spätkauf hieß, hatte noch geöffnet. Dabei war es schon mitten in der Nacht. So etwas gibt es in Hamburg nicht. Wir gingen rein. Lars spendierte zwei Packungen Chips, die ich gleich im Auto öffnen durfte. Dann geschah etwas Merkwürdiges. Ich redete mit Sophia über meinen Papa aus Südafrika. Einfach so. Sie musste gar nichts machen. Ich erzählte ihr, dass ich ihn nicht mehr so gut leiden kann, weil er sich nicht um mich gekümmert hatte, als ich ihn am meisten gebraucht hätte. Und dass er sehr viel geraucht und getrunken hat und dass mein Bruder den ganzen Haushalt alleine machen musste. Und dass es ihm egal ist, dass ich heute so krank bin. Lars streichelte mir über den Kopf. Dann fragte Sophia, wie ich meinen neuen Papa finde, und ich antwortete: »Ich habe ihn lieb, weil er immer für mich da ist.«
Als wir Sophia zu Hause absetzten, drückte sie mich, und ich drückte sie zurück. Dann fuhren wir weiter über eine große Brücke. Rechts konnte man den Fernsehturm sehen.
»Mit Sophia konntest du richtig gut reden, hmm?«
»Ja, weil sie so hübsch ist«, lachte ich, griff in die Chipstüte und begann zu kichern.
»Was ist los?«, fragte Lars.
»Hast du ihr durchsichtiges Kleid gesehen? Ich musste ihr den ganzen Abend auf ihren schwarzen BH starren. Es ging nicht anders. Nur als Mella mich geküsst hat, da war ich …«
»Im Paradies«, grinste Lars, und ich hatte dem nichts hinzuzufügen. Als wir an der WG von Berlin – Tag & Nacht vorbeikamen, schaute ich in die lange Hofeinfahrt, aber es war zu dunkel, um etwas erkennen zu können.
»Du, Lars?«, sagte ich leise.
»Hmm?«
»Jetzt habe ich endlich auch Freunde gefunden.«
»Ein schönes Gefühl, was?«
»Ja. Und weißt du, was das Allerbeste ist? Alle Mädchen haben mir ihre Handynummern gegeben. Ich musste sogar nur einmal fragen.«
»Hast du gut gemacht, Kleiner.«
»Ich bin so verliebt. Dieses Gefühl ist so schön, das kannst du dir nicht vorstellen.«
»Ist Mella immer noch deine Nummer eins?«
»So viel steht fest: Ich bin zu 100 Prozent in sie verliebt.«
»Du bist schon ein echter Glückspilz«, sagte Lars und parkte das Auto direkt vor unserem Haus. »Das wäre ich auch gerne mal wieder. Genieße es. Jede Sekunde.«
Lars trug mich wieder die Treppen hoch und mir fiel ein, was ich schon einmal zu ihm gesagt hatte: Liebe muss nicht perfekt sein, sondern echt. Als Mella mich küsste, fühlte es sich nach echter Liebe an. Für meinen Bruder finde ich auch noch ein Mädchen. Auch wenn es schwer wird. Mit diesen Gedanken schlief ich ein.
Am nächsten Morgen ging es mir nicht mehr so gut, weil der Tag der Abreise gekommen war. Ich spielte mit Muh und Lanti, die beide noch müde im Bett lagen. Lars stand in der Küche und kochte mir Bratkartoffeln. Ich durfte im Bett frühstücken. Danach musste ich meinen Koffer packen – ganz alleine! Ich bat zwar Lars darum, mir zu helfen, aber er meinte, ich sei kein Baby mehr und würde das auch alleine schaffen. Als alles verstaut war, klopfte ich mir
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