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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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Tür blieb ich stehen und versteckte mich, so dass sie mich nicht bemerkten. Ein Junge, der nicht in meiner Klasse war, saß auf meinem Platz. Dann rief einer: »Steh da bloß schnell wieder auf, sonst kriegst du auch diese Herzkrätze.«
    »Igitt«, schrie der andere Junge und sprang von meinem Stuhl auf.
    Alle lachten und nannten mich »Gregmeyer«, wie dieser Greg aus Gregs Tagebuch . Ich schlich mich weg und schloss mich wieder auf der Toilette ein. Dort wartete ich auf den Pausengong. In der nächsten Stunde bekam meine Lehrerin mit, dass ich erneut gehänselt wurde und stellte sich schützend vor mich. In diesem Augenblick hatte ich sie unendlich lieb. Sie sagte sogar, dass alle Ärger bekämen, wenn sie mich noch einmal beschimpfen würden. Es gäbe einen Grund, warum wir alle an dieser Schule seien. Wir sollten zusammenhalten und uns nicht gegenseitig bekämpfen. Sie wurde richtig sauer. Normalerweise spricht sie ganz ruhig und leise, aber für mich machte sie eine Ausnahme.

36
    Kjell starb um 15 Uhr. Seit dem Sommer waren es nun schon drei tote Kinder. Ich durfte mir keine bösen Gedanken darüber machen. Mein Name stand ja auch schon auf der Liste, ganz oben. Ich sah mich um, aber das Monster war weit und breit nicht zu sehen. Am Abend bekam Mama Besuch von Freunden. Sie kochte Frikadellen und Salat und Hühnchenschenkel und Kartoffeln und Schokoladenpudding. Wir saßen zusammen im Wohnzimmer, redeten und lachten. Mama und Papa und ihre beiden Freunde lachten sehr viel, weil sie sich lange nicht mehr gesehen hatten. Ich verdrückte mich heimlich in mein Zimmer, weil ich nicht lachen konnte. Nicht von Herzen. Ich hatte es versucht, aber es klappte nicht. Als ich am Fenster stand und in den Nachthimmel schaute, regnete es viele Tränen, so viele, dass mein T-Shirt ganz nass wurde. Ich spürte meinen Körper nicht mehr. Eine Traurigkeit fiel über mich her, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Ich fühlte mich so verloren, so alleingelassen. Warum hatten Maike, Kjel und Vincent nicht auf mich gewartet? Was waren das für Freunde, die mich hier unten einfach im Stich ließen? Warum konnten sie mich nicht mitnehmen?
    Ich hörte, wie jemand meinen Namen rief, aber diese Stimme war so weit weg, dass ich sie kaum wahrnahm. Sie kam immer näher und wurde lauter und lauter und irgendwas traf mich an den Armen und im Gesicht, aber ich schaute immer noch in den Himmel und suchte meine Freunde.
    »DANIEL, BIST DU DA? DANIEL, HEY!«
    »Mama?«
    »Ja, mein Engel. Ich bin’s. Was ist nur los mit dir?«
    »Was?«
    »Du zitterst ja am ganzen Körper.«
    »Maike, Vinnie«, begann ich und brach in ihren Armen zusammen.
    Als ich wieder aufwachte, lag ich auf dem Sofa in Mamas Schoß. Sie hatte mich in eine Decke gewickelt, damit mir nicht mehr kalt war. Unsere Gäste waren fort.
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Du warst in deinem Zimmer, und ich habe nach dir gerufen, aber du hast nicht reagiert. Du hast nur aus dem Fenster gestarrt und wirres Zeug geredet. Du warst gar nicht mehr da. Ich habe dich bestimmt zehn Mal gerufen. Du warst käseweiß wie ein Geist, noch bleicher als sonst. Ich musste dir eine pfeffern, damit du wieder zu dir kommst.«
    »Tut mir leid, Mama.«
    »Das muss dir nicht leidtun, mein Schatz. Es ist alles gut.«
    »Ich meine, dass ich dir wieder den Abend verdorben habe.«
    »Das hast du nicht. Ist dir noch kalt?«

37
    Rocky wich mir schon seit Tagen nicht mehr von der Seite. Er schlich um mich herum, kuschelte sich ganz eng an mich und schleckte mich ab. Das machte er nur, wenn ich richtig krank war, aber in der Regel verdrückte er sich nach einer Weile wieder. Nun ließ er mich nicht mehr aus den Augen. Vielleicht spürte er, dass ich bald sterbe? Katzen haben dafür einen siebten Sinn. Ich war zu schwach, um zu reden. Ich schrieb Lars eine SMS, dass ich heute keine Kraft hatte, um zu telefonieren. Ich wollte schlafen, aber meine bescheuerte Wirbelsäule hatte etwas dagegen. Meine Knochen fühlten sich an, als würden sie jeden Augenblick auseinanderbrechen. Lars schrieb: Komme dich nächste Woche wieder besuchen. Hole dich mit dem Auto von der Schule ab, dann gehen wir für eine Nacht ins 5-Sterne-Hotel Atlantik. Nur wir zwei. Halte durch, kleiner Bruder.
    Ich konnte mich nicht einmal freuen, so sehr quälten mich die Schmerzen. Mama brachte mir eine heiße Zitrone, und Rocky schleckte mir wieder durchs Gesicht. So eklig.
    Kjels Beerdigung am nächsten Tag war sehr traurig. Seine Mama hatte

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