Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
hast du nicht.«
»Aber er denkt das.«
»Daniel, dich trifft keine Schuld.«
»Ich freue mich so auf Donnerstag. Es sind nur noch drei Tage, dann kann ich dich endlich wieder in meinen Arm nehmen.«
»Ach, mein Kleiner.«
»Ich werde ihnen auch verbieten zu meiner Beerdigung zu kommen. Ich will die Arschlöcher da gar nicht sehen.«
»Sag das nicht. Vielleicht …«
»Ich muss auflegen«, unterbrach ich Lars und stellte den Fernseher an. Berlin – Tag & Nacht geht los. Tschühüüs.«
Nur noch zwei Tage. Lars rief an und erzählte von einer neuen Überraschung. Eigentlich wollte er es mir noch nicht verraten, aber weil er wusste, dass ich kein Fan von zu vielen Überraschungen auf einmal bin, machte er eine Ausnahme. Zur Sicherheit setzte ich mich. Man konnte ja nie wissen.
»Daniel, wir werden nach München fahren.«
»Was?«
»Pass auf! Ich habe schon alles organisiert. Ich komme zu dir nach Hamburg, wir ruhen uns einen Tag aus und springen am nächsten Tag in den ICE nach München. Eigentlich wollte ich mit dir ins Flugzeug steigen, aber dein Arzt meinte, dass dein Herz selbst Kurzstrecken nicht aushalten würde, deswegen die Bahn.«
»Du hast mit meinem Arzt gesprochen?«, fragte ich verwundert.
»Nein, deine Mama hat das für mich getan.«
»Okay.«
»In München werden wir dann von einem Chauffeur abgeholt, der uns ins beste Hotel der Stadt bringt. Wir checken ein, hüpfen unter die Dusche und bestellen uns Essen aufs Zimmer.«
»Gibt es in dem Zimmer eine Badewanne?«
»Und was für eine!«
»Gut!«
»So weit alles verstanden?«, fragte Lars.
Ich sagte: »Alles verstanden.«
»Dann fahren wir mit einem Shuttle in die Allianz Arena und sehen uns im VIP-Bereich ein Fußballspiel an. Rate von welchem Verein!«
»FC Bayern?«
»Bingo«, jubelte Lars und klopfte mit seiner Hand irgendwo dagegen. »Es gibt leckeres Essen, beheizte Sitzplätze, alles vom feinsten.«
»Krass!«
»Du bekommst sogar ein richtiges Trikot mit deinem Namen drauf und der 16 als Rückennummer.«
»Weil ich in einem Monat Geburtstag habe und sechzehn werde?«
»Ganz genau.«
»Krass!«
»Und nach dem Spiel treffen wir Basti Schweinsteiger, können Fotos machen und ein bisschen mit ihm abhängen und quatschen.«
»Krass!«
»Und am nächsten Morgen, nachdem wir ausgeschlafen und gefrühstückt haben, fahren wir zum Trainingsgelände, und du darfst gegen Manuel Neuer einen Elfmeter schießen.«
»Boah!«
»Na, was sagst du?«
Ich sagte erst einmal gar nichts, weil mich die vielen Informationen ganz durcheinander brachten. Lars sagte auch nichts. Als mir etwas einfiel, was ich sagen könnte, sagte ich: »Ich glaube, ich habe keine Kraft für so eine Reise, so gerne ich das auch machen würde. Kannst du nicht einfach herkommen und dich zu mir aufs Sofa legen?«
»Natürlich, Daniel.«
Lars’ Stimme klang sehr nachdenklich.
»Bist du jetzt böse?«, fragte ich.
»Nein, natürlich nicht.«
»Okay.«
Wir legten auf, und ich kramte die Liste hervor, die wir letztes Jahr zusammen geschrieben hatten. Die Wunschliste mit all meinen Träumen, von denen ich dachte, dass sie wichtig waren. Mittlerweile reichte es mir, wenn Lars einfach nur bei mir war. Seine Geschenke, die Ausflüge, die Fahrten mit den Sportautos, die Hotels, die Limousine und all das waren gar nicht so wichtig. Natürlich freute ich mich darüber, aber im Bett zu liegen und mit ihm zu telefonieren, zu wissen, dass es jemanden gibt, der einen lieb hat, bedeutete mir so viel mehr. Ich sah auf die Uhr. Es war kurz nach Mitternacht. Ich kletterte aus meinem Hochbett und setzte mich zu Mama auf die Couch.
»Weißt du was?«, strahlte ich sie an.
Mama glotzte Bauklötze in die Luft.
»Nur noch ein Tag! Mama, ein Tag. Kannst du dir das vorstellen? Ein Tag. MAMA.«
38
Wenn man ein Ziel vor Augen hat, irgendwas, worauf man sich richtig freuen kann, worauf es sich lohnt zu warten, was einen durchhalten lässt, dann kann man ganz schön viel ertragen. Der Vormittag in der Schule war nämlich nicht sehr schön, weil die anderen Kinder mich wieder »Gregmeyer« nannten und Witze über mich machten, aber ich ließ es einfach geschehen. Ich hatte mir einen guten Trick überlegt: Immer wenn sie gemein wurden, schloss ich die Augen, zählte bis zwei und dachte an die vielen schönen Augenblicke, die ich mit Lars in den nächsten beiden Tagen erleben würde. Es funktionierte. Ich wurde nicht traurig. Die blöden Sprüche flogen in mein linkes Ohr rein und
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