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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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einen Brief an ihren Sohn geschrieben und ihn laut vorgelesen. Ich musste weinen. Die Erinnerungen kamen zurück, als ich im vergangenen Jahr so lange im Krankenhaus lag. Mama, also meine Mama, saß damals auch jeden Tag an meinem Bett und las mir Geschichten vor, nur dass ich noch am Leben war, Kjel nicht. Als ich an seinem Grab stand, sprach mich die Pastorin an.
    »Hey, dich kenne ich doch.«
    Ich erschrak. Woher kennt sie mich, dachte ich. Bin ich der nächste Junge auf ihrer Beerdigungsliste? Ich sah sie an und machte sicherheitshalber einen Schritt nach hinten, um im Notfall schnell flüchten zu können. Nicht heute auf Kjels Beerdigung, sagte ich mir und sah mich nach Mama um. Dann fiel mir wieder ein, dass sie gar nicht mitgekommen war. Eine Krankenschwester aus dem Hospiz hatte mich gefahren. Mama blieb zu Hause, weil sie nicht genug Kraft für die Beerdigung hatte. Die Pastorin lächelte. Sie sah gar nicht böse aus und sagte: »Du bist doch der Junge aus dem UKE . Du bist Daniel.«
    Ich nickte.
    »Ich kann mich an deine schönen leuchtenden Haare erinnern. Komm doch mal wieder bei mir im Raum der Stille vorbei, wenn du das nächste Mal im Krankenhaus bist. Ich würde mich freuen.«
    »Okay«, sagte ich leise und schüttelte ihre Hand. Dann schloss ich meine Augen und nahm Abschied von meinem Freund.
    »Mach’s gut, Kjel. Grüß die Bande. Dein Daniel.«

    Am Sonntagabend packte ich meinen Koffer. Es waren zwar noch vier Tage, bis mich Lars abholen kam, aber ich konnte es nicht abwarten. Ich vermisste ihn so sehr, dass ich gar nicht aufhören konnte, an ihn zu denken. Zum Glück bekam ich Hilfe von Mama. Ich war so aufgeregt, dass ich vor meinem Schrank stand und keine Ahnung hatte, was wichtig war und was nicht. Josi blieb im Bett. Sie brauchte ich noch zum Einschlafen. Ich fragte Mama, ob ich den Koffer schon am Montag mit in die Schule nehmen durfte. Mein Plan war, ihn in meinem Spind einzuschließen. Denn war der Koffer erst einmal sicher in der Schule gebunkert, gab es für Lars kein Zurück mehr. Dann konnte er nicht mehr absagen, weil sich mein Koffer ja schon in der Schule befand. Mama erlaubte es mir.
    Nach der Schule wurde ich von Larissa abgeholt. Larissa ist meine Lieblingskrankenschwester. Anstatt sofort ins Hospiz zu fahren, schlug sie vor, einen Abstecher zum Flughafen zu machen. Das war toll. Wir setzten uns auf eine Bank und beobachteten die Flugzeuge. Ich liebe Flugzeuge. Mit ihnen kann man durch die ganze Welt fliegen und Abenteuer erleben. Wegen meines kranken Herzens darf ich nicht mehr fliegen. Ich fliege trotzdem. In meinen Träumen. Man muss es sich nur vorstellen, dann ist es fast genauso schön. Als wir dort saßen und auf die Rollbahn blickten, dachte ich, dass es schon schön wäre, wenn mein richtiger Vater und mein richtiger Bruder zu meinem sechzehnten Geburtstag kämen. Ich hatte sie so lange nicht mehr gesehen und obwohl sie fast nie anriefen, um sich nach mir zu erkundigen, hatte ich sie ja trotzdem noch lieb. Ich stellte mir vor, wie sie mit einem der Flugzeuge landeten und mit großen Koffern voller Geburtstagsgeschenke aus der Eingangshalle kamen. Die großen Koffer deshalb, weil sie dann ja eine ganze Weile bleiben würden. Als ich wieder zu Hause war, rief ich sofort Lars an, um ihm davon zu erzählen. Er hörte mir in Ruhe zu, dann sagte er: »Daniel, wenn du das wirklich möchtest und wenn dein Vater und dein Bruder Zeit haben, finden wir auch einen Weg, sie für deinen Geburtstag einzufliegen. Soll ich mit deiner Mama darüber reden?«
    »Musst du nicht. Hab ich schon gemacht.«
    »Und was hat sie gesagt?«
    »Sie meinte, sie hätte Papa schon mehrfach danach gefragt, aber immer nur gehört, er würde keinen Urlaub bekommen. Und von Ryan bekam sie gar keine Antwort.«
    »Das tut mir leid, mein Kleiner.«
    »Kannst du ja nichts dafür.«
    »Wann hast du denn das letzte Mal mit deinem Vater telefoniert?«
    »An meinem letzten Geburtstag, aber nur kurz, weil er nicht viel Zeit hatte.«
    »Und nach deiner OP im letzten Sommer?«
    »Nein, das war ihm egal.«
    »Und wann hast du mit Ryan das letzte Mal telefoniert?«
    »Weiß nicht mehr.«
    »Daniel, hör mal. Egal, was passiert. Du darfst nicht denken, dass du daran schuld bist, dass sie sich nicht melden. Es liegt nicht an dir. Dich trifft wirklich KEINE SCHULD. Hörst du?«
    »Ich glaube schon, dass ich daran schuld bin, dass Ryan mich nicht mehr lieb hat. Er denkt ja, ich hätte ihn im Stich gelassen.«
    »Aber das

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