Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
Minuten später noch immer niemand an unserer Tür geklopft hatte, fuhren wir wieder runter. Unsere Sachen standen unbewacht auf einem goldenen Schiebewagen neben dem Gepäckraum.
»Entschuldigen Sie?«
Ich tippte den Mann mit dem schwarzen Hut von hinten an. Als er sich umdrehte, holte ich Luft und sagte: »Hallo, ich bin Daniel. Wir kennen uns von eben. Warum haben Sie gesagt, dass Sie unser Gepäck aufs Zimmer bringen, wenn Sie es gar nicht machen?«
Der Mann mit dem schwarzen Hut entschuldigte sich auf der Stelle. Er griff schon nach meiner Schultasche, aber das wollte ich nicht mehr.
»Jetzt können mein Bruder und ich das auch selbst nach oben tragen. Ich mag es nicht, wenn man mir etwas verspricht und es dann nicht hält.«
Dem Mann mit dem schwarzen Hut tat es fürchterlich leid, aber wir schnappten unseren Kram und gingen kommentarlos zum Fahrstuhl zurück. Innerlich wurde ich sehr wütend, weil der Mann mit dem schwarzen Hut mich angelogen hatte.
»Lars, du hast doch gesagt, dass Udo Lindenberg auch hier im Hotel wohnt.«
»Ja.«
»Und du hast gesagt, dass es das beste Hotel von ganz Hamburg ist.«
»Na ja, jedenfalls eines der teuersten«, lachte er.
»Meinst du, Udo wird auch von dem Mann mit dem schwarzen Hut angelogen?«
»Du meinst, ob er auch so lange auf sein Gepäck warten muss?«
»Ja.«
»Ach, weißt du, so ist das manchmal im Leben. Sieh uns an! Wir tragen Sneakers, ausgewaschene Jeans und Kapuzenpullis. Die meisten Gäste in diesen Luxushotels sind sehr reich, tragen elegante Anzüge, teure Uhren, solche Sachen. Die machen mit ihrer Erscheinung einfach mehr Eindruck als wir. Wir sind weder reich, noch berühmte Rockstars, sondern ganz normale Jungs, die für eine Nacht in eine fremde Welt eintauchen. Scheiß drauf, dass die uns vergessen haben. Dadurch lassen wir uns doch unsere Laune nicht vermiesen, hmm?«
»Aber das ist doch ungerecht!«, sagte ich laut und dachte auf dem Weg ins Zimmer still darüber nach, aber weil mir das im Kopf zu anstrengend wurde, legte ich mich auf’s Bett und schaltete den Fernseher ein. Danach packte ich meinen Koffer aus. Das Zimmer war kleiner als die Suite, die Lars das letzte Mal gemietet hatte. Da man in dem Zimmer nicht von einem Raum in den nächsten laufen konnte, wurde mir langweilig.
»Ich habe jetzt Hunger. Können wir bitte rausgehen?«
»Kein Roomservice?«, fragte Lars und warf die Speisekarte zu mir aufs Bett. Ohne sie eines Blick zu würdigen, schob ich sie mit den Füßen wieder weg.
»Nein, wie langweilig. Ich will raus.«
Lars sah aus dem Fenster und sagte: »Aber draußen nieselt es wieder.«
»Na, und? Nehmen wir eben einen Schirm mit.«
Wir spazierten an der Außenalster entlang. Der Wind wehte uns den Regen direkt ins Gesicht, aber wir hatten vom Hotel einen großen Schirm bekommen und konnten uns gut dagegen schützen. Das machte richtig Spaß. Ich durfte das Restaurant aussuchen. Zuerst wollte ich in einen McDonald’s, weil ich dort schon alles kannte, aber Lars schüttelte mit dem Kopf. Wir mussten an sechs weiteren Restaurants vorbeilaufen, bis mir eines gefiel. Auf dem Schild über dem Eingang war ein großes Segelschiff abgebildet. Da wollte ich rein. Der Kellner gab uns einen Tisch in der Mitte des Raumes. Normalerweise sitze ich lieber am Rand, aber wegen des Lunchmenüs für 6,90 Euro war das Restaurant gut besucht und die schönen Platze alle schon vergeben. Ich zog meine Jacke aus und schaute an die Decke. Für einen kurzen Augenblick erschrak ich, weil hoch über unseren Köpfen ein riesiges Schiff hing. Es war bestimmt fünf oder zehn Meter lang. Zuerst hatte ich etwas Angst, dass es auf uns drauf fallen könnte, aber dann nicht mehr. Ich fragte Lars, ob ich mir ein alkoholfreies Bier bestellen dürfe, und er erlaubte es. Als der Kellner aber mein Alter wissen wollte, begann mein Herz so schnell zu klopfen, dass ich nervös wurde und gar nicht mehr wusste, was ich antworten sollte. Hilfesuchend sah ich zu Lars, der aber noch in die Speisekarte vertieft war.
»Auch in alkoholfreiem Bier ist nämlich noch Restalkohol vorhanden«, erklärte der Kellner. »Wusstest du das?«
Umso besser, dachte ich. Dann werde ich schneller betrunken. Aber das half mir jetzt auch nicht weiter. Ich trat Lars unter dem Tisch gegens Schienbein und rollte unauffällig mit den Augen.
»Mein Bruder ist sechzehn«, grinste Lars den Kellner an, der mit unserer Bestellung in der Küche verschwand.
»Puh! Das war knapp«, sagte ich
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