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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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die andere Richtung zu flüchten, aber von da kam die Krankenschwester. Ich hockte mich auf den Boden und hielt meine Hände vors Gesicht. Niemanden sehen! Hören konnte ich sie leider. Sie sprachen auf mich ein und meinten es nur gut und wussten alles besser. Es würde doch gar nicht wehtun und dauerte nur eine Sekunde. Heuchler! Mama packte mich am Arm, aber ich riss mich schnell los und rannte weg. Ich wäre am liebsten in ein Raumschiff gestiegen und weit weg geflogen, aber ich schaffte es nur bis in den Innenhof. Lars kam hinter mir her.
    »Soll ich wieder gehen oder darf ich bleiben?«
    »Du darfst bleiben«, sagte ich und lief im Kreis herum. Ich sah Mama, wie sie durch das Fenster zu mir nach draußen schaute und drehte mich schnell weg.
    »Was denkst du gerade?«, fragte Lars.
    »Ich könnte ihnen so eine in die Fresse hauen.« Ich konnte nicht still bleiben, tippte irgendwelche Zahlen in mein Handy und lief wieder umher. Mama winkte, dass ich reinkommen sollte, aber ich schüttelte nur mit dem Kopf und rief: »NEIN!«
    Dann kam sie raus: »Komm bitte! Die warten auf dich.«
    »Scheiß drauf«, sagte ich leise vor mich hin und ging auf Mama zu, weil ich sie ja trotzdem liebhatte. »Ich mach das nicht mehr mit.«
    Mama hörte mir gar nicht zu. Sie hielt mir nur die Tür auf. »Geh du mal mit Lars rein, weil ich … ich hab gerade richtig Herzklopfen.«
    »Daniel, komm, wir machen das«, versuchte Lars mir Mut zuzusprechen, und ich trampelte lautstark ins Todeshaus zurück.
    Die fiese Krankenschwester wartete schon auf mich, aber es dauerte keine zwei Minuten, bis ich wieder Reißaus nahm. Dieses Mal floh ich über die Treppe nach oben. Ich hatte so unvorstellbare Angst. Mir kamen die Tränen, so schlimm war es. Ich wollte nicht weinen, nicht vor Lars, der schon wieder neben mir stand und meinen Kopf streichelte, aber die Angst hatte mich besiegt. Ich lehnte mich gegen das Fenstersims und schaute nach draußen. Mama stand im Innenhof und rauchte. Ich zitterte am ganzen Körper und wischte mir mit dem Ärmel meiner Jacke die Tränen aus dem Gesicht.
    »Wollen wir zusammen gehen?«, sagte Lars, und seine Worte hallten durch die hohen Krankenhausdecken.
    Ich schüttelte den Kopf und schluchzte: »Ich will diese Scheiße nicht machen.«
    Lars kraulte meinen Nacken, und nach einer Weile fragte er: »Wovor hast du denn Angst?«
    Mir liefen noch mehr Tränen. »Wegen. Die. Sem. Finger. Pieks.«
    »Das dauert eine Sekunde, dann ist es vorbei«, sagte Lars, aber er hatte überhaupt keine Ahnung, wovon er sprach. Er war damals nicht dabei, als sie mir nur ganz schnell Blut abnehmen wollten und mir dann ohne Vorwarnung Spritzen in die Finger jagten. Mama rauchte immer noch.
    Lars kraulte meinen Nacken. So standen wir da, eine Minute, zwei Minuten, vielleicht waren es auch zehn. »Wollen wir es zusammen probieren?«
    Es kamen keine Tränen mehr. Ich drehte mich um und sagte: »Ich hole jetzt mein Zeug, und dann verschwinde ich hier.« Aber wohin hätte ich schon verschwinden können? Ich wusste, dass ich nicht weglaufen konnte. Mit jeder Träne, die aus meinem Körper tropfte, verschwand auch ein kleines bisschen meiner Kraft. Und ich hatte schon viel geweint an diesem Morgen. Mama, Lars, ein Arzt und zwei Krankenschwestern standen jetzt um mich herum. Ich flehte sie an: »Bitte lasst mich in Ruhe. Bitte, was habe ich euch getan?«
    Die Monster trieben mich in den Wahnsinn. Ich war kurz davor, die Kontrolle zu verlieren, und rannte wieder auf den Innenhof, wo auch die Tränen wieder kamen. Mama hinterher. »Ich gehe da nicht wieder rein«, schrie ich sie an. »Nie mehr!«
    »Komm mal bitte her«, sagte sie ruhig und ging langsam auf mich zu.
    »Ich hasse dich, dass du mir das antust. Mama, warum nur?«
    Dann blieb sie stehen und sagte: »Komm mal bitte her!« Ich schlurfte zu ihr, völlig leer und kraftlos. »Es reicht«, sagte ich und drückte mich gegen Mama, in der Hoffnung, dass sie mich retten würde.
    »Ich weiß«, sagte sie und nahm mich in den Arm. »Aber weißt du, was das Problem ist? Wir müssen da jetzt mal schnell durch.«
    Ich stampfte mit dem Fuß.
    Mama sagte: »Ich bin bei dir.«
    »NEIN!«, brüllte ich ein letztes Mal und befreite mich aus ihren Armen. »Ich will diese Scheiße nicht machen. Warum interessiert das denn niemanden?« Ich stand drei Meter von ihr entfernt, sah, wie auch ihr jetzt die Tränen liefen. Sie holte ein Taschentuch aus ihrer Jackentasche, kam einen Schritt auf mich zu und

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