Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
rief ich zurück.
»Die Musik hört sich aber sehr verdächtig an.«
»Nein, nein«, lachte ich.
Lars schlich sich durchs Bad von hinten an mich heran und überraschte mich. Ich stieß einen grellen Schrei aus, weil ich mich ertappt fühlte und weil es mir peinlich war. Er lachte und setzte sich an die Bettkante. Ich starrte wieder auf den Bildschirm und überlegte, wie ich es am besten sagen könnte. Dann flüsterte ich in sein Ohr: »Meinst du, ich darf Tamtam mal nackt sehen und ihre Brüste anfassen?«
»Frag sie doch!«
»NEIN«, sagte ich sofort und vergrub meinen Kopf im Kissen.
»Soll ich sie für dich fragen?«, grinste er.
»Spinnst du?«
»Was tuschelt ihr denn da drüben?«, rief Tamtam.
Ich hörte, wie sie vom Sofa aufstand. Schnell griff ich nach der Fernbedienung, um umzuschalten, aber ich Trottel drückte aus Versehen auf Standbild. Jetzt hatte ich den Salat.
»Oh!«, sagte sie mit großen Augen und drehte sich direkt wieder um.
Dann fingen Lars und ich laut an zu lachen, schalteten zum Supertalent um und riefen Tamtam zurück. Wir turnten zu dritt auf dem Bett herum, bis ich irgendwann außer Puste war und mich in die großen weichen Kissen fallen ließ. Lars holte eine kleine Flasche Orangina aus dem Kühlschrank, füllte die Limonade in ein Weinglas um und stellte es zusammen mit meinen Tabletten neben mir auf dem Nachttisch ab. Lars und Tamtam unterhielten sich kurz, aber ich konnte nichts verstehen, weil sie zu weit weg standen und mein Fernseher zu laut war. Lars zog sich Schuhe an, kam kurz zu mir ans Bett, tippte auf meine Pillendose und sagte augenblinzelnd: »Ich gehe kurz runter an die Bar. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Tamtam nichts dagegen hat. In einer halben Stunde bin ich wieder oben, alles klar?«
»Okay«, sagte ich.
»Hast du wirklich verstanden?«, fragte Lars und rollte mit den Augen, aber was konnte man an seiner Aussage schon falsch verstehen? Er grinste so eigenartig. Dann fasste er mir an die Stirn, um zu überprüfen, ob ich Fieber hatte und einen Augenblick später hörte ich auch schon, wie die Zimmertür zuschnappte. Tamtam legte sich neben mich, ich kuschelte mich ein bisschen an sie ran, und wir guckten gemeinsam Supertalent . Ein Mädchen, das Krebs hatte, stand nun auf der Bühne und sang eine Ballade. Sie war nicht viel älter als ich, vielleicht ein oder zwei Jahre. Ihre braunen langen Haare waren wieder schön nachgewachsen und man sah ihr gar nicht an, dass sie so krank war. So wie bei mir. Das Mädchen war sehr hübsch, und sie lächelte die ganze Zeit. Trotzdem war es traurig, weil sie fast ausgeschieden wäre, aber Dieter Bohlen hatte am Ende etwas Mitleid und schickte sie in die nächste Runde. Das fand ich schön. Und als das Mädchen strahlend von der Bühne ging, strahlte ich auch. Irgendwann kam Lars zurück und fragte, was wir gemacht hätten, und ich sagte: »Nichts. Nur Glotze geguckt.«
Er sah zu Tamtam. Sie sagte: »Nur Glotze geguckt.«
»Und jetzt, seid ihr schon müde?«
Ich schrieb Mama eine SMS: Gute Nacht. Hab dich lieb.
»Ja, müde«, sagte ich und schaute auf die Uhr. »Ist auch schon nach Mitternacht.«
Als Tamtams Gesicht vor dem Schlafengehen abgeschminkt und voller weißer Creme war, sah sie nicht mehr so schön aus, und ich sagte zu ihr: »Mach bitte die Schminke wieder drauf. Das sieht viel besser aus, glaub mir. Je mehr Schminke, desto hübscher.«
Lars bekam einen Lachanfall, und ich wusste nicht wieso. Tamtam schimpfte mit mir, dass man einem Mädchen so etwas nicht sagen dürfe, aber sie musste dann auch lachen. Ich verstand sie nicht. Ich wollte ihr doch nur einen Tipp geben. Sie hatte ja auch keinen Freund und vielleicht lag es daran, dass sie sich immer abschminkte? Ich wurde sehr müde. Tamtam schlief im Wohnzimmer, weil die Matratze des Kinderbettes für meine kaputte Wirbelsäule zu hart war. Ich habe Skoliose und wegen den Eisenstäben in meinem Rücken muss ich weich liegen. Ich teilte mir das große Traumbett mit Lars, der aber die ganze Nacht über kein Auge zubekam, weil er zu viel Angst hatte, dass ich nicht mehr atmen würde. Sein Pech! Ich grunzte wie ein Baby. Am nächsten Morgen legte ich mich zu Tamtam rüber, um zu kuscheln. Lars schlief noch. Als mir langweilig wurde, brachte ich ihm einen Espresso ans Bett, schaltete den Fernseher ein und rief Tamtam zu uns. Dann guckten wir zusammen Pumuckl . Wie schön es jetzt wäre, die Zeit anzuhalten, dachte ich und machte es mir zwischen Mama und
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