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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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gerechnet. Sie hätte, wie du gerade eben, auch Mir geht’s gut oder so was in der Art antworten können, hat sie aber nicht. Sie hat für einen Augenblick ihren Schutzschild abgelegt und die Wahrheit gesagt, wie es ihr wirklich geht, und das hat mich, na ja, buchstäblich umgehauen.«
    »Was bedeutet buchstäblich?«, fragte ich.
    »Das heißt, dass ihre Antwort mich so berührt hat, dass ich mich hinsetzen musste, weil mir sonst vielleicht schwindelig geworden wäre und ich …«
    Er machte eine Bewegung, die so aussah wie eine umfallende Hand, und machte dazu ein Geräusch, das sich genauso anhörte, wie wenn ein Auto gegen eine Wand scheppert.
    »Sorry, ich kann das gerade nicht besser erklären.«
    »Das kapiere ich schon«, kicherte ich. »Willst du mir das jetzt vorlesen?«
    »Nein, ich glaube nicht, Daniel.«
    »Warum denn nicht? Ich dachte, wir erzählen uns alles. Das hast du selbst gesagt. Also ich erzähle dir immer alles.«
    »Ich will aber nicht, dass du etwas falsch verstehst«, sagte Lars, und seine Stimme klang gar nicht mehr so fröhlich wie eben.
    »Du hast es mir aber versprochen!«
    »Was habe ich dir versprochen?«
    »Dass wir uns alles erzählen. Dass wir uns niemals anlügen und füreinander da sind – für immer! Du hast gesagt, dass wir Menschen keine Gedanken lesen können, weshalb man sich immer alles sagen muss. Ich weiß das noch ganz genau. Und du hast es mir versprochen.«
    »Ich weiß«, flüsterte er in mein Ohr und streichelte mir über die Haare. »Ich weiß, dass ich es dir versprochen habe. Es ist nur …«
    Jetzt atmete er wieder schwer. Armer großer Bruder! Ich war ein bisschen verwirrt, weil ich Lars so lieb habe und nicht wollte, dass es ihm wegen mir schlecht geht, aber ich hoffte auch, dass er sein Versprechen nicht brechen würde. Ich hoffte es so sehr. Die Gedanken schwirrten wieder wild durch meinen Kopf, und ich wäre am liebsten aufgestanden, um mir ein Glas Ginger Ale aus der Küche zu holen, aber ich wollte Lars nicht alleine lassen. Außerdem musste ich herausfinden, ob er mich angelogen hatte, ob er das alles nur so erzählt hatte.
    Ich hasse Menschen, die Lügen erzählen. Ich hasse es, wenn mir jemand etwas verspricht und es dann nicht hält. Das finde ich sogar noch schlimmer als eine Lüge, weil man sich ja darauf verlässt, was dieser Mensch sagt und sich deswegen auf etwas freut oder keine Angst mehr hat. Und dann, wenn das Versprechen gebrochen wird, ist man sehr traurig und weiß nicht, ob man dieser Person je wieder vertrauen kann. Eine Krankenschwester hat mir einmal per Indianerehrenwort versprochen, dass sie nur ganz kurz mit ihrer Nadel in meinen Arm pikst, dass es gar nicht lange dauern und – das ist der wichtige Teil, dass es überhaupt nicht weh tun würde. Es tat aber fürchterlich weh und dauerte eine Ewigkeit, weil die doofe Nuss meine Vene verfehlte, und dann durfte ich auch nicht nach Hause, sondern musste im Todeshaus bleiben. Ich hatte Josi nicht dabei und konnte deswegen nur ganz schlecht einschlafen. Seitdem mag ich keine Krankenschwestern mehr, weil ich mich jetzt immer frage, ob sie mich wieder anschwindeln. Am liebsten habe ich es, wenn man mir ganz klar erklärt, was los ist. Die meisten Erwachsenen reden immer um den heißen Brei herum. Deswegen höre ich ihnen oft gar nicht zu. Ein eiskaltes Ginger Ale wäre jetzt echt der Hammer!
    »Bruderherz, holst du mir ein Ginger Ale?«
    »Mach ich«, sagte Lars und sprang auf. »Ich muss eh schiffen gehen.«
    »Mit ganz vielen Eiswürfeln.«
    »Wie immer.«
    Dann knallte er die Tür des Badezimmers zu. Ich drehte mich zu seinem Laptop und erkannte die Nachricht seiner Freundin. Ich war so neugierig, weil ich unbedingt wissen wollte, was sie geschrieben hatte. Wenn Lars deswegen schon den ganzen Tag traurig war, musste es etwas sehr Wichtiges sein. Ich beugte mich vor, um zu gucken, wo Lars gerade war, denn ich wollte mich nicht dabei erwischen lassen. Man darf nämlich die private Post von anderen nicht lesen. Aber ich war doch so neugierig. Ich las nur den ersten Satz, ganz schnell und heimlich. Ich weiß eigentlich, wie es mir geht, aber ich bin zu stolz, es mir einzugestehen. Dann kam Lars mit meinem Ginger Ale zurück, und ich setzte mich auf, um besser trinken zu können.
    »Ah, tut das gut«, sagte ich, und gab Lars das Glas, um es hinter uns auf die Fensterbank zu stellen.
    »Pass auf, Daniel«, fing er an, »wir machen das so. Ich lese dir den Brief vor, und danach reden wir

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