Dieses heiß ersehnte Glueck
niemand in Sweetbriar als die Räuberbraut vom Wilderness Trail wiedererkannt.
»Laß dich von ihr herumführen, Liebes«, empfahl nun auch Wesley. »Linnet kennt die Stadt viel besser als ich.« Dabei warf er Leah einen warnenden Blick zu, ohne daß die anderen es bemerkten.
»Und was wird inzwischen aus Bud und Cal?« fragte sie leise. Sie fühlte sich in der Nähe der beiden Hünen viel sicherer, als könnten sie sich gegenseitig beschützen.
Mit einem Seufzer blickt Wes auf sie hinunter. »Die Jungs gehen mit uns, und Mac und ich werden sie bis zum letzten Blutstropfen verteidigen. Wenn ein Kind versuchen sollte, deinen geliebten Jungs etwas anzutun, werden wir es auf der Stelle aufhängen. Ohne Gerichtsverfahren! Und wenn . ..«
»Hör auf!« zischelte sie, lächelte aber dabei. »Sie sind eben ... du weißt schon.«
»Sehr zerbrechlich«, sagte Wesley mit ernster Stimme. Er beugte sich zu Mac hinüber. »Sie spricht von den beiden Bullen dort drüben. Leah fürchtet, die Kinder könnten sie auslachen und ihnen einen unheilbaren seelischen Schaden zufügen.«
Mac schnaubte nur ungläubig.
»Du gehst jetzt mit Linnet durch die Stadt«, sagte Wesley, »und mittags treffen wir uns alle wieder in Macs Laden.« Er bückte sich und gab ihr einen Kuß auf die Wange. »Und wir werden uns um deine Jungs kümmern!«
Leah kam sich ein wenig verloren vor, als Wesley und Mac, gefolgt von den beiden jungen Riesen, sich auf der Straße entfernten; doch Linnet nahm ihr rasch ihre Befangenheit.
»Die Leute hier brennen darauf, Wesleys junge Frau kennenzulernen. Wir kennen Wes schon seit Jahren und haben miterlebt, wie hart er auf seiner Farm arbeitete, und deshalb will natürlich jeder sehen, für wen er sich so abrackerte«, erzählte Linnet. »Ich würde mich nicht wundern, wenn heute die ganze Nachbarschaft in der Stadt zusammenströmt, nur um einen Blick auf Sie zu werfen.«
Mit einem Lachen, als Leah das Gesicht verzog, fuhr Linnet fort: »Sie müssen sich an unsere Stadt gewöhnen. Hier gibt es keine Geheimnisse. Sie kommen nicht aus Neugierde, sondern eher aus . . . Anteilnahme, würde ich sagen. Als ich vor zwanzig Jahren hierherzog . . .«
»Zwanzig Jahre!« rief Leah ungläubig. »Sie sehen aus, als wären sie eben erst zwanzig geworden!«
»Sehr liebenswürdig von Ihnen. Meine älteste Tochter ist neunzehn. Hier kommt Agnes Emerson. Ihr Mann starb vor ein paar Jahren; und jetzt bewirtschaftet ihr Sohn Doyle die Farm.«
Nun folgte eine verwirrende Vielzahl von Namen und Gesichtern. Linnet stellte ihr Leute vor, die erst ein oder zwei Jahre hier wohnten; doch besonders herzlich war sie zu den Eltern und Kindern jener Siedler, die schon seit vielen Jahren in der Stadt und Umgebung lebten. Leah fand es unmöglich, die Alteingesessenen von den Neuankömmlingen zu unterscheiden. Linnet stellte ihr Nettie und Maxwell Rowe vor, deren jüngste Tochter, Vaida, die Stadtschule leitete, und deren älteste Tochter, Rebecka, mit Jes Tucker, dem Senator des neuen Staates, verheiratet war.
»Jeder scheint hier sehr stolz auf diesen Jes Tucker zu sein«, meinte Leah.
Linnet lächelte. »Jessie versteht es eben, jedem in seiner Umgebung ein Gefühl des Stolzes zu vermitteln, egal, welchen Beruf er ausübt. Wie viele von den Starks haben sie bisher kennengelernt?«
»Eine ganze Menge«, antwortete Leah lachend. »Wie viele gibt es denn davon?«
»Jedes Jahr kommen ein paar dazu! Gaylon junior ging letztes Jahr nach Boston auf die Universität. Er ist ein sehr intelligenter junger Mann, und wir hoffen alle, daß er eines Tages Gouverneur oder sogar Präsident der Vereinigten Staaten wird!«
Während sie durch die Stadt gingen, vor jedem Laden stehenblieben und Leah sich den Leuten vorstellte, spürte sie, daß hier ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit herrschte.
In Virginia hatte sie sich stets als eine Simmons gefühlt, und obwohl sie immer daran erinnert wurde, daß sie nun zu den Stanfords gehörte, war sie im Grunde eine Simmons geblieben. Der Sumpf hatte sie nicht loslassen wollen, und trotz der Freundschaft, die Nicole und Regan ihr entgegenbrachten, waren ihr die beiden wie Wesen aus einer anderen Welt erschienen, zu der sie nie gehören würde.
Aber hier, in dieser kleinen Stadt, wo die Leute Kleider aus selbstgesponnener Baumwolle oder Wolle trugen — Kleider, die manchmal nur noch aus Flicken zu bestehen schienen —, fühlte sie sich heimisch. Trotz allem, was Wesley ihr vorgeworfen hatte — sie
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