Dieses heiß ersehnte Glueck
Gesicht mit einem vollen, sinnlichen Mund über einem festen Kinn. Leah hob vorsichtig die Hand und berührte sacht ihre Wange — und in der nächsten Sekunde brach sie auf dem Bett zusammen, während Nicole und Regan in ein befreites Lachen ausbrachen.
»Ich glaube, unsere Mühe hat sich gelohnt«, rief Regan triumphierend. Dann hob sie den Kopf. »Ich würde sie gern mal vorzeigen. Nur ganz kurz.«
»Dafür ist es noch zu früh«, warnte Nicole.
»Komm mit mir, Leah«, widersprach Regan und nahm Leah bei der Hand.
Regan führte Leah durch einen Bereich des Hauses, den
sie noch nie gesehen hatte, durch lange Korridore, an einem riesigen Speisezimmer vorbei. »Hat dieses Haus denn gar kein Ende?«
»Du wirst lernen, dich darin zurechtzufinden. Wir gehen jetzt in Travis’ Büro.«
»Zu Wesleys Bruder?«
Regan lachte kurz. »Man pflegt Wesley als den kleinen Bruder von Travis zu bezeichnen.«
»Für mich ist er das nicht«, sagte Leah selbstbewußt.
Travis saß hinter einem mächtigen Schreibtisch vor aufgeschlagenen Kontobüchern; einer seiner Sekretäre stand neben ihm. Regan stellte Leah vor dem Schreibtisch auf, und als der Sekretär sie ansah, fiel ihm vor Verblüffung die Kinnlade herunter. Travis blickte von den Büchern auf und drehte sich um.
»Gütiger Gott!« sagte er und sog die Luft geräuschvoll durch die Zähne. »Das ist doch nicht. . .«
»Das ist sie«, sagte Regan stolz.
»Bestelle für uns Tee«, befahl Travis seinem Sekretär. »Und hör auf, sie anzugaffen! Hier, setz dich! Leah, nicht wahr?«
Als wäre sie schon immer wie eine Lady behandelt worden, nahm Leah mit züchtig gesenkten Wimpern auf einem Polstersessel Platz, den Travis ihr hinschob. Dabei teilte sich der Mantel etwas und entblößte einen nicht geringen Teil ihres Brustansatzes, was Travis sichtlich genoß. Als er hochsah, funkelte ihn Regan wütend an.
»Sie kann etwas vorzeigen, nicht wahr?« meinte Travis grinsend.
Der Tee wurde fast in Sekundenschnelle gebracht, auf einem großen Silbertablett, das von zwei Dienstmädchen und einem Butler getragen wurde. Alle drei und dazu noch der Sekretär gafften nun Leah mit offenem Mund an.
»Hinaus! Hinaus mit euch!« befahl Travis.
Leah saß still in ihrem Sessel, gab ihre Blicke neugierig zurück und fragte sich, wer diese Leute wären und was sie im Hause täten.
Als das Personal sich aus dem Büro entfernt hatte, schenkte Travis Leah den Tee ein und reichte ihr artig die Tasse aus hauchdünnem Porzellan.
»Ich habe einen Mordshunger«, sagte Leah und rückte ihren Sessel dichter an den Schreibtisch heran, auf den das Tablett mit den Törtchen und den belegten Broten gestellt worden war. Sie blies geräuschvoll über den Tee, schlürfte ihn gurgelnd hinunter und stellte die nasse Tasse auf die polierte Oberfläche des Schreibtisches. Dann nahm sie sich drei Törtchen auf einmal, zerkrümelte sie auf der Untertasse, goß Sahne aus dem silbernen Milchkännchen darüber und begann, sich diese Mischung mit dem Teelöffel in den Mund zu schaufeln. Als sie den Unterteller halb geleert hatte, sah sie hoch und bemerkte, daß Travis, Regan und Nicole sie mit halboffenem Mund anstarrten.
Nicole faßte sich als erste wieder. »Wir haben doch noch einiges zu arbeiten«, sagte sie leise, während sie ihre Teetasse elegant zum Munde führte.
»Das möchte ich auch meinen«, brummte Travis.
Leah aß ihre Untertasse leer.
Drei Tage später verfluchte Leah diese kleinen Tassen und Untertassen, die so hübsch aussahen, ihr aber immer unter den Händen zu zerbrechen schienen. Regan drohte ihr Schreckliches an, wenn sie noch ein Stück von diesem teuren Import-Service kaputt machte. Deshalb bemühte Leah sich wirklich ernsthaft, den Umgang mit diesen zierlichen Dingern zu lernen.
»Was spielt es denn für eine Rolle, wie man ißt, solange man es in den Schlund bekommt?« rief Leah, den Tränen nahe, als Nicole zum hundertsten Male kritisierte, wie Leah die Gabel hielt.
»Denke an Wesley«, warnte Nicole.
Dieser Satz war zum Slogan geworden, mit dem sie Leah zum Lernen anspornte, und er hatte noch nie versagt. Die beiden Frauen benützten Wesleys Namen, um Leah zu zwingen, sich mit Geduld und Ausdauer die Manieren anzueignen, die sie an seiner Seite brauchte. Dabei erfuhren sie von Leah die ganze Geschichte, wie sie Wesley kennengelernt und ihm für immer ihre Liebe geschenkt hatte.
Leah wohnte schon zwei Monate auf der Stanford-Plantage, als man ihren Vater, Elijah, ertrunken im
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