DIESES MAL IST ALLES ANDERS
Land früher schon einmal signifikante Inlandsschulden angehäuft hatte (in ihrer Phase als aufstrebende Ökonomie), hatten diese isolierten Beispiele keine große Wirkung auf die Hauptströmung der wissenschaftlichen beziehungsweise politischen Literatur.
Der Mangel an Transparenz beziehungsweise das Versäumnis vieler Regierungen und multilateraler Institutionen, für einen leichten Zugang zu Zeitreihen über Inlandsstaatsschulden zu sorgen, ist verblüffend bis irritierend. Schließlich wenden sich diese Regierungen regelmäßig an Inlands- und Auslandsmärkte, um ihre Schuldtitel zu verkaufen. Im Allgemeinen erhöht die Ungewissheit über das bisherige Rückzahlungsverhalten einer Regierung eher die Risikoprämien auf neue Emissionen. Noch rätselhafter ist, dass globale Investoren nicht die für die jeweiligen Wertpapiere relevanten historischen Informationen einhalten. Jedes Kreditkartenunternehmen will die Kredithistorie eines potenziellen neuen Kunden wissen – sein Ausgaben- und Rückzahlungsverhalten, die Höhe der Schulden, die er in der Vergangenheit gemacht und unter welchen Umständen er sie beglichen hat. Eine solche Kredithistorie ist sicher auch für Regierungen relevant.
Man kann nur vermuten, dass zahlreiche Regierungen aufgrund ihrer Befürchtung, dass sie wesentlich höhere Finanzierungskosten tragen müssen, nicht daran interessiert sind, dass die Kapitalmärkte die Risiken, die sie mit einer Anhäufung von Schulden und Schuldgarantien eingehen, vollumfänglich kennen. Die Veröffentlichung historischer Daten wird Investoren zu der Frage veranlassen, warum nicht auch aktuelle Daten verfügbar gemacht werden können. Man könnte annehmen, es würde sich für weniger verschwenderische Regierungen lohnen, ihre Bücher zu öffnen und als Belohnung in den Genuss niedrigerer Zinsen zu kommen. Diese Transparenz würde wiederum den Druck auf schwächere Schuldnerländer erhöhen. Doch selbst die USA haben ein außerordentlich undurchsichtiges Buchführungssystem, das geradezu birst vor potenziell kostspieligen etatfremden Garantien. Als Antwort auf die jüngste Finanzkrise nahm die US-Regierung (einschließlich des US-Zentralbankrats) gewaltige etatfremde Garantien in ihre Bücher, womit sie vermutlich Verbindlichkeiten eingegangen ist, die aus versicherungsmathematischer Perspektive – bewertet zum Zeitpunkt des Rettungspakets – die gleiche Größenordnung haben wie zum Beispiel die Verteidigungsausgaben – wenn sie nicht sogar noch umfangreicher sind. Warum es so viele Regierungen Standarddatenbanken so schwer machen, ihre Schuldenhistorie aufzunehmen, ist eine wichtige Frage für die zukünftige wissenschaftliche und politische Forschung.
Aus politischer Perspektive lässt sich plausibel argumentieren, dass eine internationale Behörde ein wertvolles öffentliches Gut bereitstellen würde, wenn sie grundlegende Anforderungen an Transparenz und Berichterstattung gegenüber allen Ländern durchsetzen (oder zumindest fördern) könnte. Tatsächlich ist es eigenartig, dass die heutigen multilateralen Finanzinstitutionen nie die Aufgabe vollständig übernommen haben, systematisch Daten über Staatsschulden zu veröffentlichen – insbesondere angesichts der Rolle, die diese Behörden eigentlich erfüllen sollen, nämlich die Ersten zu sein, die politische Entscheidungsträger und Investoren vor Krisenrisiken warnen. Stattdessen scheint das System die Geschichte der Inlandsschulden vollständig vergessen zu haben und zu glauben, die heute florierenden inländischen Staatsanleihenmärkte seien völlig neu und anders. 10 Unser historischer Datensatz über Inlandsstaatsschulden widerlegt das jedoch mit überraschender Deutlichkeit. Tatsächlich haben wir allen Grund zu der Annahme, dass wir mit unserem Datensatz im Hinblick auf die expliziten sowie die Eventualverbindlichkeiten der Regierungen lediglich die Spitze des Eisbergs berührt haben.
TEIL IV: BANKENKRISEN, INFLATION UND WÄHRUNGSZUSAMMENBRÜCHE
Länder können sich zwar aus ihrer Historie der wiederkehrenden Hochinflationsphasen befreien; keinem Land ist es bisher jedoch gelungen, sich dauerhaft von Bankenkrisen zu befreien.
Bankenkrisen
Zwar haben sich zahlreiche der heute entwickelten Länder aus einer Historie der gehäuften Zahlungsausfälle auf Staatsschulden beziehungsweise der Hochinflationsphasen befreit, keinem ist jedoch die dauerhafte Überwindung von Bankenkrisen gelungen. Tatsächlich bieten entwickelte Länder im Zeitraum
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