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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
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Wüste wurde durch die Siedler in fruchtbares Land verwandelt. Es gab große Obstplantagen, Gärten, Getreidefelder, Gemüsebeete. Es gab Schulen, jeder hatte genug zu essen. Es gab Kleider, Bücher in der Bibliothek. Die Kibbuz-Mitglieder wohnten in Häusern, ihre Kinder hatten eigene Kinderhäuser. Es war das größte Privileg, im Kibbuz geboren zu sein. Die eingeborenen Kibbuz-Kinder behandelten das elternlose deutsche Mädchen Eva mit großer Arroganz. Eva war einfach nicht vorhanden. Ausgerechnet in dieser sozialistischen Gemeinschaft lernte Eva schmerzlich, was Hierarchien bedeuten, Rangunterschiede. Eva begriff nicht, warum sie nichts wert war, warum sie im Zelt schlafen, vor dem Unterricht stundenlang arbeiten musste. Keiner der regulären Kibbuz-Jugendlichen musste das tun. Eva lernte, was es hieß, nur eine Jecke zu sein. Eine Jecke unter den im Lande geborenen Sabres. Sabres sind Kakteenfrüchte. Stachlig. Wer sie berührt, tut sich weh. Und genauso verhielten sich die im Kibbuz geborenen Jugendlichen gegenüber Eva. Das süße, saftige Innere der Frucht zeigten sie nicht. Es gab täglich neue Demütigungen, die sich die Kibbuzgeborenen für die Außenseiter ausdachten. Eva sehnte sich fort aus dem Kibbuz, wo ihr jeden Tag aufs Neue ihre Heimatlosigkeit bewusst wurde. Bei einem Kibbuz-Konzert lernte sie eine Familie aus Tel Aviv kennen, deutsche Juden wie Eva. Sie suchten einKindermädchen für ihre beiden acht- und zehnjährigen Söhne und nahmen Eva mit in die Stadt. Endlich war sie eine Jecke unter Jekkes. Erst als sie mit ihrem späteren Mann Fritz in der Haganah arbeitete, erfuhr sie, dass Jecke inzwischen so etwas wie ein Gütezeichen geworden war, das nicht mehr für Schwerfälligkeit stand, sondern für Korrektheit, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit.
     
    Für Evas Enkelin Sharon bedeutete es nicht mehr sonderlich viel, dass sie von Jeckes abstammte. Sie war eine Sabre wie die Mutter, alle jüngeren Leute waren Sabres. Unter den alten Freunden der Großmutter, überhaupt unter den Älteren, gab es viele, die ihre K Z-Nummern in den Unterarm eintätowiert hatten. Sharon hörte immer wieder Schreckensgeschichten über die Gräuel der Konzentrationslager, über Morde und Folter, doch blieb der Nazi-Terror für sie merkwürdig abstrakt. Viel näher waren ihr, die nach dem Abitur ihren Wehrdienst antrat, die Toten in der West-Bank. Ihre Aggression und ihre Ängste galten der Palästinensischen Befreiungsfront, die im Norden Israels mordete und das Land verwüstete. Terrorgruppen, Kamikazekämpfer warfen sich in sprengstoffbeladenen Lastwagen auf israelische Ziele und ließen sich mit ihnen in die Luft sprengen. Diese Leute waren die Realität für Sharon. Realität waren auch der Spaten und das Gewehr, die Tornister, drei Hemden, drei Blusen, Rock und Kampfanzug, zwei Paar Schuhe, Essgerät, Schlafen im Zelt, Duschen im Gemeinschaftsraum. Frauen waren Offiziere, es gab einen weiblichen Oberst, es gab Puder, Lippenstift, Schmuck. Da hat sich viel verändert seit damals, sagteRuth. Für uns gab es nur Drill und Waffen. Wir hassten und kämpften wie die Männer. Geblieben war der Tod. Abel war gefallen. Er war sehr groß, breitschultrig, auf seinem schmalen Kopf ringelten sich die gestutzten Locken in die Stirn. Sein Lächeln war offen, es schien zu sagen: Lasst uns nur Feste der Freundschaft feiern. Ja, so lächelte Abel. Sharon saß gern mit ihm im Schatten der Zypressen am Lagertor. Abel war aus Jaffa. Sharon und er waren oft am Freitag per Autostopp nach Tel Aviv gefahren. Abels Daumen musste nicht lange signalisieren, jeder Autofahrer in Israel nahm Soldaten und Soldatinnen mit. Ehrensache. Abel, der Übermütige. Wie oft hatte Sharon sich gewünscht, ihm gleichen zu können. Wenn sie im Abendlicht auf Wochenendurlaub nach Tel Aviv fuhren, wenn sich die Umrisse der Zypressen weich mit den Konturen der Hügel verwebten, wenn alles sanft schien, der Krieg weit weg, dann lehnte sich Sharon eng an Abel. Einmal, es war schon spät, saßen sie auf dem Rücksitz eines verbeulten Fiat, dessen Seitenfenster links total verklebt war. Als Sharon Abel den roten Himmel zeigte, an dem eine flüssiggoldene Sonne unterging, musste er sich nah zu ihr beugen, um an ihrer Seite aus dem Fenster zu schauen. Abels Locken kitzelten ihre Nase, er schaute zu Sharon hoch, sekundenlang, Abel küsste sie nicht zum ersten Mal, doch noch nie unter solch einem Himmel.
     
    Abel war tot. Abel war nur noch ein Name. Viele Abel werden

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