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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
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hörte daher auch nicht den Applaus. Er war ihr gleichgültig, eher lästig, sie wollte keine Sonderstellung, wollte nicht ausgesondert sein. Doch Sharon schien alles Boshafte, alles Unbeständige in den Gefühlen der Frauen wachzurufen, die sie anfangs als eine Art Motor zu akzeptieren schienen, dann aber die Lust verloren und das Idol zu zerstören oder zumindest zu stören suchten. Bald war in der Garderobe die Atmosphäre eines Eisschrankes. Nicht nur Dandy, Sharons kleiner Yorkshireterrier, den Friedrich ihr geschenkt hatte, nicht nur Dandy fror unter seiner Decke. Sharon fand immer wieder Teile ihres Kostüms zerschnitten oder angeflämmt. Alles was sie in der Garderobe zurückließ, wurde auf irgendeine Weise zerstört. Dandy, anfangs zutraulich und Hätschelhund aller, versteckte sich neuerdings in den hintersten Winkel und kam nicht hervor, bis Sharon ihn holte. Obwohl auch Christin versuchte, auf Sharons Sachen und auf Dandy achtzugeben, obwohl sie mit den anderen Mädchen und mit den Frauen an der Barredete, war die Bosheit nicht zu fassen. Sharon suchte die Garderobe zu meiden. Im grell beleuchteten Spiegel sah sie die anderen. Andrea, die rote Perücke neben sich auf dem Styroporkopf, häkelte an Weißem, Biggi lackierte die Fingernägel, Elke schrieb einen Brief, Assi las Kaugummi kauend in einer Illustrierten. Sharon wusste nicht, was die Mädchen über sie dachten, sie spürte nur die Distanz, die sich tagtäglich zu vergrößern schien. Doch wie hätte Sharon ausgerechnet in diesen Kreis Einlass finden sollen, wenn es ihr bislang nirgends und niemals gelungen war, teilzunehmen. Bei der Zahal hatte sie sich ebenso als Außenseiterin gefühlt wie bei den Ihren, bei den Verwandten des Vaters oder des Großvaters, bei Hochzeiten oder bei Beerdigungen. Immer war Sharons einzige Verwandte die Einsamkeit gewesen. Seit dem Tod der Großmutter war diese Einsamkeit endgültig geworden.
     
    Christin. Ihr hatte sich Sharon immer mehr genähert. Zwischen ihr und Christin gab es keine Spur von Missgunst oder Heuchelei. Sharon glaubte Christin genauso wie sich selber. Sie verbrachten ihre freie Zeit fast ausschließlich miteinander. War Friedrich in München, holte er Sharon manchmal aus dem Number Six ab, und sie ging mit ihm wie in eine andere Welt, in der sie nur Gast war, auch nur Gast sein wollte. Friedrich schenkte ihr Schmuck, Blumen, Taschen und Kleider. Sharon teilte alles mit Christin, wie kleine Kinder tauschten sie lachend die teuren Dinge. Nimm es als späte Wiedergutmachung, sagte Christin, als private Wiedergutmachung. Sharon hatte Christin erzählt, dass ihre Großmutter in der Adenauer-ÄraWiedergutmachung erhalten hatte, da ihre gesamte Familie im Konzentrationslager ermordet worden war. So viel Geld hatte die Großmutter bis dahin niemals besessen. Es hatte immer gerade so zum Leben gereicht. Weil ihr über eure Verhältnisse lebt, hatten die Verwandten in Haifa und Beer Sheba gesagt. Das galt auch Ruth, Sharons Mutter, die nicht daran dachte, sparsam zu leben. Sharon wohnte jetzt bei Christin in der Agnesstraße. Ihr Zimmer im Bayerischen Hof hatte sie längst aufgeben müssen. In Christins Zweizimmerwohnung war es eng, weil Christin aus der Wohnung mit Bodo so viele Möbel hatte, an denen sie hing. Trotz der Enge fanden Christin und Sharon es schön, zusammen zu wohnen. Besonders morgens, wenn sie aus dem Number Six kamen, brauchte eine die Wärme der anderen. Meist schliefen sie Hand in Hand ein. Doch beide wussten, dass es auf Dauer nicht ging. Sharon suchte eine eigene Wohnung. Friedrich wollte einen Makler beauftragen, das hatte Sharon jedoch abgelehnt. Mochte er ihr Kinkerlitzchen schenken, und seien sie noch so teuer, das ganz normale Leben wollte sie allein einrichten. Das ganz normale Leben einer Stripperin. So lautete die Headline einer Reportage, die eine Journalistin für ein Magazin schreiben wollte. Es war die Frau des Reporters Krug, der seinerseits über das Münchner Nachtleben berichtete. Von ihm hatte seine Frau, Birke Krug, die Idee, Sharon zu interviewen. Obwohl Felngruber dieses Interview unbedingt verhindern wollte, obwohl er wieder behauptet hatte, dass bei Sharon »nichts ginge«, sprach Sharon mit Birke Krug, weil sie spürte, dass diese Frau ernsthaft war, ehrlich. Von ihr erfuhr Sharon dann auch, dass imHause Krugs eine Dachwohnung frei geworden war. Sharon, die einen ganzen Tag mit Birke verbracht hatte, mit ihr im Englischen Garten spazieren gegangen war, mit ihr

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