Diesseits Des Mondes
schön wie du jetzt aussiehst, sagte Christin, so schön warst du noch nie. Und leiser: Ich hab gedacht, nach Bodo möchte ich mich nicht mehr verlieben, aber wenn ich dich so sehe ...
Als Treffpunkt schien ihnen das Adria passend zusein. Als Sharon sich neben Alexander setzte, als er ihre Hand nahm und nicht mehr losließ, glaubte sie, dass aus ihren Haaren wilde Anemonen wachsen müssten. Sie war nicht mehr getrennt vom Leben anderer. Alexander, das wusste sie, war ihr ähnlich. Jede Minute, die sie zusammen verbrachten, fühlten sie sich enger miteinander verbunden.
Plötzlich hörte sie Alexander zu Christin sagen, dass er morgen früh nach Italien müsse. Alexander sah Sharon nicht an, als er sagte, er müsse dort Verpflichtungen wahrnehmen, die ihn mindestens drei Wochen festhalten würden. Dabei drückte Alexander Sharons Hand, er hob sie an seine Lippen, kurz nur, doch Sharon war es, als tauche er ihre Hand ins Feuer. Für Augenblicke war Sharon wieder eingebunden in ihre Ängste, doch als Alexander seinen Arm um ihre Schultern legte, als er ihr sagte, dass er ihr jeden Tag schreiben werde, da legte sich die Angst wieder und Sharon ruhte sich in Alexanders Augen aus. Als Alexander Sharon, Christin und Pablo in die Agnesstraße fuhr, als Christin mit Pablo ins Haus ging, nahm Alexander Sharons Hände. Werden wir heiraten?, fragte er. Sharon sagte Ja.
Jeden Tag kamen Karten aus Arma di Taggia. Karten, auf denen Alexander gepresste Blumen aufgeklebt hatte. Er malte eine Nase mit zwei Flügeln und schrieb dazu, dass er die Frage nach den hinreißendsten Nasenflügeln nun mühelos beantworten könne. Carissima, schrieb er, Sharonissima, ich bin aufgeregt und warte voller Freude auf dich, wann kommst du?
Dann der erste Brief: Carissima Sharon, mir geht es wie Asterix dem Gallier, der nur eines fürchtet – dassihm der Himmel auf den Kopf fällt. Und eben das ist mir jetzt zugestoßen, und jetzt fühl ich mich wie – halt wie jemand, dem der Himmel auf den Kopf gefallen ist. Ist das alles wirklich wahr? Aber das ist ja das Problem, dass es wirklich wahr ist. Wenn’s nicht so wahr wäre ... Ich hab schon blaue Flecken im Gehirn vom vielen Andichdenken. Sharon! Mir ist eingefallen, dass wir uns in das Guinness-Buch der Rekorde eintragen lassen können: Ein Mann und eine Frau, 22 und 24 Jahre alt, im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten, beschließen nach zwei Stunden gemeinsamen Lebens zu heiraten. Sharon, das ist, denke ich, absoluter Weltrekord! Sharon, wenn wir so weitermachen, dann sind Philemon und Baucis ein Schmarrn gegen uns.
Dir zu sagen, dass ich Dich liebe, kommt mir fast schon wie ein Pleonasmus vor. Ich sage es Dir aber trotzdem, weil es so schön ist. Und weil Du es hoffentlich gern hörst. Ich werde es Dir jeden Tag sagen: Ich liebe Dich, Sharon. Du bist es und keine andere, und auf Dich habe ich 24 Jahre lang gewartet. Und Du hast 22 Jahre lang auf mich gewartet. Und das ist wohl die einfachste Erklärung dafür, dass wir nur zwei Stunden gebraucht haben, wozu man normalerweise zwei Jahre (mindestens!) braucht. Und bei den zwei Stunden haben wir uns noch Zeit gelassen. Ich glaube, wir hätten das auch in zwei Minuten erledigen können. Wie Du auf mich zugegangen bist, wie Du ranntest, den Pablo im Arm, wie Du atemlos vor mir gestanden bist, da wusste ich es eigentlich schon: Das ist SIE. Stell Dir vor, Du wärst nicht mit Christin in die Klinik gefahren, nein, stell es Dir nicht vor, ich darf gar nicht dran denken.
Ich möchte Dir gern beschreiben, wie es hier aussieht.Ich bin allein im Haus, es liegt schön und weiß und still hier am Berg. Stell Dir einfach das Paradies vor, wie Du es Dir als Kind vorgestellt hast – so ist es hier. Und ich bin Adam und warte auf meine Eva. Wenn ich mir vorstelle, dass Du hier wärst bei mir ... mein Gott, 24 Jahre Warten haben sich gelohnt. Jeder einzelne Tag. Der Himmel ist mir auf den Kopf gefallen.
Und der Himmel bist Du.
Ich bin Dein Alexander Maximilian Gabriel.
P. S.
Damit Du es weißt: Alexander und Maximilian heiße ich nach meinen Großvätern, Gabriel nach meinem Urgroßvater. Ich bin vorläufig das letzte Glied in der Kette der Familie von der Heydte, und ich glaube, dass die anderen der Ansicht sind, ich sei auch das schwächste. Jedenfalls haben sie sich immer so verhalten. Es ist noch nicht allzu lange her, da haben sie mir noch vorgeschrieben, wie ich über die Straße zu gehen habe. Dass sie mir dies
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