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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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ganzen Natur nach ein arroganter und unpersönlicher Akt; Aufopferung sollte für immer als hochmütig gelten.
    »Weinet nicht über mich, sondern über eure Kinder.«
    So etwa – dachte Amory – würde Gott zu mir sprechen.
    Amory spürte eine plötzliche freudige Aufwallung, und dann blendete sich, wie ein Gesicht im Film, die Aura über dem Bett allmählich aus; der starke Schatten am Fenster – näher konnte er ihn nicht beschreiben – verharrte noch einen winzigen Moment, bis ihn ein rascher Windhauch aus dem Raum zu wehen schien. Er presste die Hände in schneller, wilder Erregung zusammen… die zehn Sekunden waren vorbei…
    »Tu, was ich dir sage, Alec – tu genau, was ich dir sage. Verstehst du?«
    Alec sah ihn stumm an – das Gesicht ein Abbild seiner inneren Qualen.
    »Du hast eine Familie«, sprach Amory langsam weiter. »Du hast eine Familie, und es ist wichtig, dass du aus der Sache hier herauskommst. Hörst du?« Er wiederholte das Gesagte klar und deutlich. »Hörst du?«
    »Ich höre dich.« Die Stimme klang seltsam gepresst, der Blick ließ Amory keine Sekunde los.
    [359] »Alec, du legst dich jetzt hierhin. Wenn jemand reinkommt, stellst du dich betrunken. Du tust, was ich dir sage– sonst kann’s sein, dass ich dich umbringe.«
    Noch einen Moment lang starrten sie einander an. Dann ging Amory energisch zum Schreibtisch, nahm seine Brieftasche und winkte das Mädchen gebieterisch zu sich. Er hörte Alec etwas sagen, das wie »Zuchthaus« klang, dann war er mit Jill im Badezimmer und verriegelte die Tür hinter ihnen.
    »Du bist mit mir hier«, sagte er streng. »Du bist den ganzen Abend mit mir zusammen gewesen.«
    Sie nickte, den Tränen nahe.
    In der nächsten Sekunde entriegelte er die Tür des anderen Raums, und drei Männer kamen herein. Er stand blinzelnd in dem plötzlich von elektrischem Licht durchfluteten Raum.
    »Sie haben sich auf ein etwas zu gefährliches Spielchen eingelassen, junger Mann!«
    Amory lachte.
    »So?«
    Der Anführer der drei nickte gebieterisch einem Dicken in kariertem Anzug zu.
    »In Ordnung, Olson.«
    »Verstanden, Mr. O’May«, sagte Olson und nickte. Die beiden anderen warfen einen neugierigen Blick auf ihre Beute und verzogen sich dann mit ärgerlichem Türenschlagen.
    Der Dicke betrachtete Amory verächtlich.
    »Haben Sie noch nie was vom ›Mann Act‹ gehört? Einfach hierherzukommen mit der da« – er deutete mit seinem [360] Daumen auf das Mädchen –, »mit einem New Yorker Autokennzeichen – in so ein Hotel.« Er schüttelte den Kopf, wie um anzudeuten, dass er sich über Amory Gedanken gemacht habe, ihn nun jedoch aufgab.
    »Also«, sagte Amory ziemlich ungeduldig, »was wollen Sie von uns?«
    »Dass Sie sich anziehen, und zwar schnell – und sagen Sie Ihrer Freundin, sie soll nicht so einen Spektakel machen.« Jill schluchzte laut auf dem Bett, doch auf diese Worte hin ließ sie es schmollend sein, suchte ihre Kleider zusammen und zog sich ins Badezimmer zurück. Während Amory in Alecs Unterhose schlüpfte, dachte er, dass er eine angemessen humorvolle Haltung in dieser Situation wahrte. Der Dicke mit dem Gehabe des gekränkten Tugendboldes reizte ihn zum Lachen.
    »Sonst noch jemand hier?«, fragte Olson und gab sich Mühe, scharf und frettchenhaft dreinzublicken.
    »Bloß ein Freund, der die Zimmer gebucht hat«, sagte Amory gleichgültig. »Aber der ist sturzbetrunken. Schläft da drin schon seit sechs Uhr.«
    »Werd ihn mir gleich mal anschauen.«
    »Wie sind Sie draufgekommen?«, fragte Amory neugierig.
    »Der Nachtportier hat Sie mit der Frau raufgehen sehen.«
    Amory nickte. Jill kam aus dem Badezimmer, vollständig, wenn auch ziemlich schlampig bekleidet.
    »Also dann«, begann Olson und zog ein Notizbuch heraus. »Ich möchte Ihre richtigen Namen haben – nicht diesen Quatsch mit John Smith oder Mary Brown.«
    »Einen Augenblick«, sagte Amory ruhig. »Spielen Sie hier [361] nicht den großen Macker. Wir sind bloß geschnappt worden und sonst nichts.«
    Olson funkelte ihn an.
    »Name?«, schnauzte er.
    Amory nannte seinen Namen und seine New Yorker Adresse.
    »Und die Dame?«
    »Miss Jill –«
    »Also hören Sie mal!«, rief Olson aufgebracht. »Jetzt ist aber Schluss mit den Ammenmärchen. Wie heißen Sie? Sarah Murphy? Minnie Jackson?«
    »O mein Gott!«, stöhnte das Mädchen und verbarg das tränenüberströmte Gesicht in den Händen. »Meine Mutter darf nichts davon erfahren. Meine Mutter darf nichts davon

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