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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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sonst irgendetwas wurde, und immer gab es im Ballett den Mann mit dem starken dunklen Bartwuchs, der »sich um keinen Preis zweimal am Tag rasieren will, verdammt noch mal!«.
    In Ha-Ha Hortense! gab es eine herrliche Stelle. Es gehört zur Tradition in Princeton, dass ein Yale-Absolvent, der Mitglied des weithin bekannten »Skull and Bones«-Club ist, bei Erwähnung dieses geheiligten Namens den Raum verlassen muss. Es gehört ebenfalls zur Tradition, dass die Mitglieder dieses Clubs im späteren Leben unweigerlich erfolgreich werden und Geld, Wählerstimmen, Zinsscheine oder was ihnen sonst beliebt, anhäufen. Daher wurde also bei [89] jeder Vorstellung von Ha-Ha Hortense! ein halbes Dutzend Sitze freigehalten und mit den übelstaussehenden Vagabunden besetzt, die man von der Straße weg anheuern konnte und die vom Maskenbildner des Triangle-Clubs noch schlimmer zugerichtet wurden. Diese sechs Vagabunden erhielten Anweisung, in dem Moment, wenn in der Show »Firebrand, der Häuptling der Piraten« auf seine schwarze Flagge deutete und sagte: »Ich bin Yale-Absolvent, seht meine ›Skull and Bones‹!« – in genau diesem Moment also, sich auffällig zu erheben und mit gekränkter Würde und tiefmelancholischem Blick den Saal zu verlassen. Unbewiesenen Gerüchten zufolge soll sich bei einer solchen Gelegenheit ein echter zu den sechs angeheuerten Yalies gesellt haben.
    Die ganzen Ferien hindurch spielten sie vor der vornehmen Gesellschaft von acht Städten. Amory gefielen Louisville und Memphis am besten: Hier wusste man Fremde zu empfangen, außerordentlich guten Punsch zu servieren und mit einem erstaunlichen Angebot weiblicher Schönheit zu glänzen. An Chicago schätzte er einen gewissen Schwung, der den starken Akzent vergessen ließ – doch war es eine Yale-Stadt, und da eine Woche später der Yale-Glee-Club erwartet wurde, erfuhr der Triangle nur eingeschränkte Würdigung. In Baltimore dagegen war Princeton zu Hause, und jedermann liebte sie. Überall wurden in reichlichem Maße starke Getränke genossen; unweigerlich betrat einer der Schauspieler höchst angeheitert die Bühne und behauptete, seine besondere Auffassung der Rolle verlange dies. Es gab drei reservierte Eisenbahnwaggons; doch keiner dachte daran zu schlafen, außer im dritten Wagen, der »Viehwaggon« genannt wurde und in dem sich die bebrillten [90] Schwätzer aus dem Orchester zusammenpferchten. Alles ging so rasend schnell, dass keine Zeit blieb, sich zu langweilen, doch als sie, fast am Ende der Ferien, in Philadelphia ankamen, waren sie heilfroh, der von betäubendem Blumenduft und Theaterschminke geschwängerten Atmosphäre zu entkommen, und die Ballettratten schnallten sich mit erleichtertem Seufzen die drückenden Korsetts ab.
    Als die Truppe sich auflöste, machte Amory sich eiligst auf den Weg nach Minneapolis, denn dort verbrachte Sally Weatherbys Cousine Isabelle Borgé den Winter, während ihre Eltern im Ausland weilten. Er kannte Isabelle nur als kleines Mädchen, mit dem er damals, als er zum ersten Mal nach Minneapolis kam, manchmal gespielt hatte. Sie lebte jetzt in Baltimore – doch hatte sie seit damals interessante Erfahrungen gemacht.
    Amory fühlte sich sehr beschwingt, selbstsicher, nervös und bester Laune. Nach Minneapolis zurückzueilen, um dort ein Mädchen zu treffen, das er als Kind gekannt hatte, erschien ihm der Gipfel der Gefühle, und so telegrafierte er seiner Mutter ohne Gewissensbisse, dass sie nicht auf ihn warten solle… setzte sich in den Zug und dachte die nächsten sechsunddreißig Stunden über sich nach.
    »Petting«
    Auf der Triangle-Tournee war Amory ständig mit jenem großartigen, weitverbreiteten amerikanischen Phänomen in Berührung gekommen, der »Petting-Party«.
    Keine der viktorianischen Mütter – und die meisten [91] Mütter waren viktorianisch – ahnte auch nur im Geringsten, wie wohlbewandert ihre Töchter in der Kunst des Küssens waren. »Dienstmädchen tun so etwas«, sagte Mrs. Huston-Carmelite zu ihrer umschwärmten Tochter. »Die lassen sich erst küssen und dann einen Antrag machen.«
    Aber die »Umschwärmte Tochter« verlobt sich jedes halbe Jahr zwischen sechzehn und zweiundzwanzig, bis sie schließlich eine Heirat mit dem jungen Hambell, von Cambell & Hambell, einfädelt, der sich einfältigerweise für ihre erste Liebe hält, und zwischen den Verlobungen erlebt die U. T. (die auf Bällen durch Abklatschen ausgesucht wird – einem System, das das Überleben der

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