Diesseits vom Paradies
Geeignetsten begünstigt) weitere gefühlvolle letzte Küsse im Mondenschein, am Kaminfeuer oder draußen im Dunkeln.
Amory sah Mädchen Dinge tun, die ihm selbst in seiner Erinnerung unvorstellbar vorkamen: um drei Uhr morgens nach dem Ball noch in den unmöglichsten Cafés zu essen, über alle Dinge des Lebens halb ernsthaft, halb spöttisch, jedoch mit einer kaum verhohlenen Erregung zu sprechen, die nach Amorys Ansicht von tiefem moralischem Verfall zeugte. Doch war ihm nie bewusst, wie weit verbreitet diese Haltung war, bis er die Städte zwischen New York und Chicago als eine einzige jugendliche Liebesintrige kennenlernte.
Nachmittags im Plaza, draußen senkt sich die winterliche Dämmerung, von unten die schwachen Klänge eines Schlagzeugs… nervös stolzieren sie im Foyer auf und ab, aufs feinste herausgeputzt, trinken noch einen Cocktail und warten. Dann kommen durch die schwingenden Drehtüren drei Pelzbündel hereingetrippelt. Später ins Theater; dann [92] ein Tisch im Midnight Frolic – natürlich ist die Mutter dabei, aber sie trägt nur dazu bei, alles noch heimlicher und herrlicher zu machen, wie sie einsam an dem verlassenen Tisch thront und denkt, dass diese Vergnügungen doch nicht halb so schlimm sind, wie sie immer hingestellt werden, nur ziemlich langweilig für sie. Doch die U. T. ist wieder verliebt… war das nicht sonderbar? Dass die U. T. und der junge Mann aus Williams einfach nicht mehr ins Taxi hineinpassten, obwohl noch so viel Platz war, und sie ein eigenes nehmen mussten. Sehr seltsam! Ist Ihnen nicht aufgefallen, wie die U. T. glühte, als sie genau sieben Minuten zu spät ankam? Doch die U. T. »kommt heil davon«.
Aus der »Schönen« war der »Flirt« geworden und aus dem »Flirt« der »Baby-Vamp«. Die »Schöne« hatte jeden Nachmittag fünf oder sechs Besucher. Wenn die U. T. durch einen unglücklichen Zufall zwei gleichzeitig hat, wird es für den, der nicht mit ihr verabredet ist, ziemlich ungemütlich. Die »Schöne« war in den Pausen zwischen den Tänzen von einem Dutzend Herren umringt. Versuchen Sie, die U. T. zwischen den Tänzen zu finden, versuchen Sie es mal.
Das gleiche Mädchen… versunken in einer Atmosphäre von Urwaldmusik und der Infragestellung moralischer Werte. Amory fand es faszinierend, dass er jedes umschwärmte Mädchen, das er vor acht Uhr abends kennenlernte, höchstwahrscheinlich noch vor zwölf geküsst haben würde.
»Was um Himmels willen wollen wir eigentlich hier?«, fragte er eines Abends das Mädchen mit den grünen Kämmen im Haar, mit dem er in irgendjemandes Limousine vor dem Country-Club von Louisville saß.
[93] »Keine Ahnung. Mich hat nur der Teufel geritten.«
»Seien wir ganz offen – wir werden uns nie wiedersehen. Ich wollte mit dir hier rausgehen, weil ich fand, dass du das bestaussehende Mädchen weit und breit bist. Dir ist es doch egal, ob du mich jemals wiedersiehst, oder?«
»Ja, schon – aber ist das deine Masche bei allen Mädchen? Was hab ich getan, dass ich mir so was anhören muss?«
»Und du warst gar nicht müde vom Tanzen oder wolltest eine Zigarette oder was du sonst gesagt hast? Du wolltest einfach –«
»Ach komm, gehen wir rein«, unterbrach sie ihn, »wenn du bloß analysieren willst. Über so was braucht man doch nicht zu reden.«
Als die handgestrickten, ärmellosen Westen Mode wurden, nannte Amory sie in einem Geistesblitz »Petting-Hemden«. Dieser Name ging von Küste zu Küste, auf den Lippen von Salonlöwen und U. T.s.
Beschreibung
Amory war nun achtzehn Jahre alt, knapp einen Meter achtzig groß und außerordentlich, wenn auch nicht im klassischen Sinne, gutaussehend. Er hatte ein ziemlich junges Gesicht, zu dessen Unschuld die durchdringenden grünen Augen, umrahmt von langen dunklen Wimpern, nicht recht passen wollten. Ihm fehlte die intensive sinnliche Anziehungskraft, die so oft mit der Schönheit bei Männern und Frauen einhergeht; seine persönliche Ausstrahlung schien eher von innen zu kommen, und er konnte sie nicht an- und [94] abstellen wie einen Wasserhahn. Doch niemand, der ihn je gesehen hatte, konnte sein Gesicht vergessen.
Isabelle
Sie blieb oben an der Treppe stehen. Kunstspringer auf dem Brett, Primaballerinen vor der Premiere oder kräftige, stämmige junge Männer am Tag des großen Spiels mochten Ähnliches empfinden wie sie in diesem Moment. Ein Trommelfeuer oder ein schrilles Potpourri von Themen aus Thaïs und Carmen hätten ihren Auftritt begleiten sollen. Nie
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