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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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abhob; diese Art Hemden sehen Frauen mit Begeisterung an Männern, die Männer hingegen sind sie allmählich leid.
    Während dieser Prüfung beobachtete Amory sie schweigend.
    »Und was meinst du dazu?«, fragte sie plötzlich und warf ihm einen unschuldigen Blick zu.
    In diesem Moment entstand eine allgemeine Unruhe, und Sally führte sie zu ihrem Tisch. Amory kämpfte sich durch [100] an Isabelles Seite und flüsterte: »Du bist meine Tischdame, wusstest du das schon? Wir sind einander für den Abend zugeteilt.«
    Isabelle schnappte nach Luft – das kam ja sehr gelegen. Dennoch hatte sie das Gefühl, als sei der Hauptdarstellerin eine gute Stelle weggenommen und einer Nebenfigur übertragen worden… Sie durfte nicht im Geringsten die Führung verlieren. Helles Gelächter über das allgemeine Durcheinander beim Plätzesuchen ertönte von der Tafel, und dann hefteten sich neugierige Blicke auf sie, als sie sich nahe ans Kopfende setzte. Sie genoss das ausgiebig, und Froggy Parker war so hingerissen von ihren immer stärker glühenden Wangen, dass er vergaß, Sally den Stuhl zurechtzurücken, und in völlige Verwirrung versank. Amory saß auf der anderen Seite, ganz Selbstvertrauen und Eitelkeit, und starrte sie mit offener Bewunderung an. Er begann ohne Umschweife und Froggy mit ihm:
    »Ich habe viel von dir gehört, seit du noch Zöpfe hattest…«
    »War das nicht komisch heute Nachmittag…«
    Beide hielten inne. Isabelle wandte sich schüchtern Amory zu. Ihr Gesicht war jedem stets Antwort genug, aber sie entschloss sich zu sprechen.
    »Wie – von wem?«
    »Ach, von allen Möglichen – die ganzen Jahre, seit du weggegangen bist.«
    Sie errötete geziemend. Froggy zu ihrer Rechten hatte den Kampf bereits verloren, obwohl er es noch nicht bemerkt hatte.
    »Ich will dir sagen, was mir von dir in Erinnerung [101] geblieben ist in all den Jahren«, fuhr Amory fort. Sie neigte sich ein wenig zu ihm und blickte sittsam auf den Sellerie, der vor ihr lag. Froggy seufzte – er kannte Amory und die Situationen, für die Amory wie geboren schien. Er wandte sich Sally zu und fragte sie, ob sie im nächsten Jahr woanders zur Schule gehen würde. Amory fuhr sogleich mit schwerem Geschütz auf.
    »Ich kenne ein Adjektiv, das genau auf dich passt.«
    Das war eine seiner bevorzugten Eröffnungen – er dachte dabei selten an ein bestimmtes Wort, aber es rief stets Neugier hervor, und wenn er zu sehr in die Ecke gedrängt wurde, konnte er immer rasch etwas Schmeichelhaftes von sich geben.
    »Ja? Was für eins?« Isabelles Gesicht war ein Meisterstück hingerissener Neugierde.
    Amory schüttelte den Kopf.
    »Ich kenne dich noch nicht gut genug.«
    »Wirst du’s mir sagen – später?«, flüsterte sie fast.
    Er nickte.
    »Setzen wir uns nach draußen.«
    Isabelle nickte.
    »Hat dir schon mal jemand gesagt, was für wunderschöne Augen du hast?«, fragte sie.
    Amory gab sich Mühe, sie noch wunderschöner aussehen zu lassen. Er war nicht ganz sicher, doch bildete er sich ein, dass ihr Fuß soeben seinen unter dem Tisch berührt hatte. Vielleicht war es aber auch nur das Tischbein gewesen. Es war schwer zu sagen. Dennoch erregte es ihn. Er überlegte blitzschnell, ob es schwierig wäre, sich das kleine Kabinett oben zu sichern.
    [102] »Babes in the Woods«
    Isabelle und Amory waren sicher weder unschuldig noch übermäßig verdorben. Zudem hatte es bei dem Spiel, das sie spielten, wenig Sinn, sich als Amateur auszugeben – einem Spiel, das in den kommenden Jahren vermutlich ihre Hauptbeschäftigung sein würde. Ihr Kapital war, wie seines auch, gutes Aussehen und ein nervöses Temperament, und der Rest ergab sich aus der ihr zugänglichen Lektüre populärer Romane und dem, was sie von den Unterhaltungen etwas älterer Cliquen im Ankleidezimmer aufgeschnappt hatte. Isabelle hatte sich schon mit neuneinhalb einen koketten Gang zugelegt, und sosehr sie auch mit großem, verträumtem Blick die Unschuld vom Lande spielte, so wenig ließ sich Amory davon täuschen. Er wartete, dass die Maske von ihr abfiel, stellte jedoch gleichzeitig nicht ihr Recht in Frage, sie zu tragen. Sie hingegen war von seiner einstudierten Haltung, mit der er blasierte Weltklugheit zur Schau trug, nicht beeindruckt. Sie hatte in einer größeren Stadt gelebt und rangierte daher ein wenig höher. Doch akzeptierte sie seine Pose – sie gehörte zu den Dutzend kleinen Konventionen einer solchen Affäre. Ihm war klar, dass er diese besondere Gunst nur

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