Diesseits vom Paradies
und Amory sich im Kabinett gut »amüsiert« hätten. Isabelle wandte sich ruhig zu ihr um. In ihren Augen brannte das Feuer der Idealistin, der unberührten Träumerin von Jeanne-d’Arc-Träumen.
»Nein«, antwortete sie, »solche Dinge tue ich nicht mehr; er hat mich darum gebeten, aber ich habe nein gesagt.«
Als sie in ihr Bett stieg, fragte sie sich, was wohl morgen in seinem Expressbrief stehen würde. Er hatte einen so wunderschönen Mund – ob sie jemals –?
»Vierzehn Englein um sie steh’n«, sang Sally schläfrig im Nachbarzimmer.
»Verdammt!«, murrte Isabelle, klopfte das Kissen zu einem üppigen Polster zurecht und streckte sich vorsichtig zwischen den kalten Bettlaken aus. »Verdammt!«
[109] Ausgelassenes Treiben
Mit Hilfe des Princetonian hatte Amory es endlich geschafft. Die unbedeutenderen Snobs – fein ausbalancierte Gradmesser des Erfolges – erwärmten sich für ihn, je näher die Clubwahlen rückten, und Tom und er wurden von Gruppen höherer Semester aufgesucht, die höchst umständlich hereinkamen, mühsam auf der Kante eines Möbelstückes balancierten und von allem Möglichen redeten, nur nicht von dem einen Thema, das ihnen wirklich am Herzen lag. Amory amüsierte sich über die ernsten Blicke, die auf ihn gerichtet waren, und sobald es sich bei seinen Besuchern um Vertreter eines Clubs handelte, an dem er kein Interesse hatte, war es sein größtes Vergnügen, sie mit unorthodoxen Bemerkungen zu schockieren.
»Ja, mal sehen…«, sagte er eines Abends zu einer bestürzten Delegation, »welchen Club vertretet ihr denn?«
Vor Besuchern von Ivy, Cottage und Tiger Inn spielte er den »netten, unverdorbenen, unschuldigen Jungen«, blieb ganz unbefangen und tat, als habe er keine Ahnung vom Zweck ihres Besuches.
Als Anfang März der schicksalhafte Morgen endlich anbrach und der Campus sich in ein Tollhaus verwandelte, schlüpfte Amory unauffällig mit Alec Connage ins Cottage und beobachtete das plötzlich völlig neurotische Verhalten seiner Klasse mit größter Verwunderung.
Da gab es Gruppierungen, die hektisch von Club zu Club sprangen; andere, die vor zwei oder drei Tagen Freundschaft geschlossen hatten und nun tränenüberströmt und wild entschlossen bekundeten, unter allen Umständen [110] demselben Club beitreten zu müssen, nichts sollte sie trennen; langgehegter Groll kam wütend zum Ausbruch, wenn die plötzlich prominent Gewordenen sich erinnerten, wie herablassend sie als Freshmen behandelt worden waren. Völlig Unbekannte wurden zu hochwichtigen Persönlichkeiten, sofern sie nur bestimmte, heißbegehrte Einladungen erhielten; andere, scheinbar »todsichere« Kandidaten stellten fest, dass sie sich unerwartet Feinde gemacht hatten, fühlten sich gescheitert und im Stich gelassen, schwangen wilde Reden und drohten, das College zu verlassen.
In Amorys Clique wurden einige nicht zugelassen, weil sie grüne Hüte trugen, »verdammte Modegecken« waren, zu viel »Hang zum Himmel« zeigten, sich irgendwann »weiß Gott nicht wie ein Gentleman« betrunken hatten oder was für unerfindliche, geheime Gründe es sonst noch geben mochte, die nur den Verteilern der schwarzen Wahlkugeln bekannt waren.
Diese Orgie der allgemeinen Verbrüderung fand ihren Höhepunkt in einer riesigen Party im Nassau Inn, wo aus ungeheuren Kesseln Punsch ausgeschenkt wurde und das gesamte untere Stockwerk sich in ein einziges trunkenes, wirbelndes, lärmendes Durcheinander von Gesichtern und Stimmen verwandelte.
»He, Dibby – gratuliere!«
»Tom, alter Junge, hast ’n netten Haufen im Cap.«
»Sag mal, Kerry…«
»O Kerry – hab gehört, du bist im Tiger gelandet – bei all den Gewichthebern!«
»Na, jedenfalls bin ich nicht im Cottage – zur Freude der Salonlöwen.«
[111] »Overton soll ohnmächtig geworden sein, als er die Einladung zum Ivy kriegte – und glaubt ihr vielleicht, er hätte sich gleich eingetragen? Von wegen – hat sich aufs Fahrrad geschwungen und ist zum Murray-Dodge-Haus rübergeprescht – hatte Angst, es wär ein Irrtum.«
»Wie bist du denn in den Cap gekommen – du alter Schwerenöter?«
»Gratuliere!«
»Gratulier dir auch. Hab gehört, du hast eine tolle Clique.«
Als die Bar schloss, teilte sich die Gesellschaft in Gruppen auf und strömte singend über den verschneiten Campus, von dem seltsamen Irrglauben besessen, dass nun das Snob-Spielen und die Anspannung vorbei seien und sie in den nächsten zwei Jahren tun und lassen könnten, was sie
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