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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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überdauerte, wie sie den kurzen Moment im Kabinett des Minnehaha-Clubs überdauert hatte. Im Mai verfasste er fast jede Nacht dreißigseitige Schreiben und sandte sie ihr in dicken Umschlägen, die außen mit »Teil 1« und »Teil 2« beschriftet waren.
    »Ach Alec, ich glaube, ich hab das College satt«, sagte er traurig, als sie gemeinsam durch die Dämmerung spazierten.
    »Ich glaube, ich auch, irgendwie.«
    »Alles, was ich mir wünsche, ist ein kleines Haus irgendwo auf dem Land, irgendwo, wo es warm ist, und eine Frau, und nur gerade so viel zu tun, dass ich kein Moos ansetze.«
    »Ich auch.«
    »Ich würd gern abgehen.«
    »Was sagt dein Mädchen dazu?«
    »Oh!« Amory holte erschreckt Luft. »Sie denkt nicht im Traum daran, zu heiraten… das heißt, nicht jetzt. Ich rede von der Zukunft, verstehst du.«
    »Mein Mädchen denkt schon daran. Ich bin verlobt.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Sag niemandem ein Wort davon, bitte, aber es stimmt. Vielleicht komme ich nächstes Jahr nicht wieder her.«
    »Aber du bist doch erst zwanzig! Und dann vom College abgehen?«
    »Was denn, Amory, gerade eben hast du doch gesagt –«
    [124] »Ja«, unterbrach ihn Amory, »aber das war nur Wunschdenken. Ich würd nicht im Traum daran denken, vom College abzugehen. Ich bin nur oft so traurig in diesen herrlichen Nächten. Irgendwie habe ich das Gefühl, sie kommen nie wieder, und ich genieße sie nicht so, wie ich könnte. Ich wünschte, mein Mädchen lebte hier. Aber heiraten – keine Chance. Schon deswegen nicht, weil mein Vater sagt, dass nicht mehr so viel Geld da ist wie früher.«
    »Wie sinnlos verschwendet sind diese Nächte!«, stimmte Alec zu.
    Doch Amory seufzte und nutzte die Nächte. Er hatte einen Schnappschuss von Isabelle, den er wie ein Heiligtum in einer alten Taschenuhr aufbewahrte, und fast jeden Abend um acht löschte er alle Lichter bis auf die Schreibtischlampe und schrieb ihr, vor dem offenen Fenster mit ihrem Bild vor sich, leidenschaftliche Briefe.
    Ach, es ist so schwer, Dir zu schreiben, was ich wirklich fühle, wenn ich so viel an Dich denke; Du bist für mich ein Traum geworden, den ich nicht mehr zu Papier bringen kann. Dein letzter Brief ist angekommen, und er war wunderbar! Ich habe ihn ungefähr sechsmal gelesen, besonders den letzten Teil, aber manchmal wünschte ich mir, Du wärest ganz offen und sagtest mir, was Du wirklich von mir denkst; aber Dein letzter Brief war fast zu schön, um wahr zu sein, und ich kann den Juni kaum erwarten! Du musst es unbedingt schaffen, zum Ball zu kommen. Es wird sicher sehr nett, und ich möchte Dich so gerne dorthin mitnehmen, zum Abschluss eines wundervollen Jahres! Ich denke oft über das nach, was Du [125] an jenem Abend gesagt hast, und frage mich, wie ernst Du es wirklich gemeint hast. Wenn’s eine andere gewesen wäre als gerade Du – aber, weißt Du, ich dachte mir gleich, als ich Dich sah, dass Du launisch seist, und Du bist so beliebt und all das, dass ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass Du mich am liebsten magst.
    O meine liebe Isabelle, die Nacht ist wundervoll. Irgendwo weit entfernt auf dem Campus spielt jemand Love Moon auf einer Mandoline, und mit der Musik scheinst Du durchs Fenster hereinzuschweben. Jetzt spielt er Goodbye, Boys, I’m Through, wie gut das auf mich passt. Denn für mich ist alles vorbei. Ich habe beschlossen, nie wieder Cocktails zu trinken, und ich weiß, dass ich mich nie wieder verlieben werde – ich könnte es nicht –, zu sehr bist Du Bestandteil meiner Tage und Nächte geworden, als dass ich je an ein anderes Mädchen denken könnte. Ich sehe sie dauernd, und sie interessieren mich nicht. Ich spiele nicht den Unnahbaren – das ist es nicht. Ich bin verliebt, das ist es. O liebste Isabelle (irgendwie kann ich Dich nicht einfach Isabelle nennen – ich hab nur Angst, dass mir das »liebste« auch im Juni vor Deiner Familie herausrutscht), Du musst einfach zum Ball kommen, und dann besuche ich Dich für einen Tag bei Dir zu Hause, und das wird einfach herrlich…
    Und so weiter, ein ewiger Monolog, der ihnen beiden unendlich reizvoll, unendlich neu vorkam.
    Der Juni kam, und die Tage wurden so heiß und träge, dass sie keinen Gedanken an die Prüfungen verschwenden [126] konnten, sondern verträumte Abende auf dem Hof des Cottage zubrachten und endlose Themen erörterten, bis der Streifen Land Richtung Stony Brook im blauen Dunst verschwand, der Flieder um die Tennisplätze weiß blühte und Worte sich schweigend

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