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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Himmels willen, nein – ich sagte schreiben– nicht trinken.
    ROSALIND Ich mag Geschäftsmänner. Kluge Männer sind meistens so reizlos.
    AMORY Es kommt mir vor, als kennte ich dich schon ewig.
    ROSALIND Oh, kommst du jetzt mit der Pyramidengeschichte?
    AMORY Nein – ich wollte es eigentlich französisch aufziehen. Ich war Louis XIV, und du warst eine meiner – meiner – in anderem Tonfall Angenommen – wir verlieben uns.
    ROSALIND Ich hab schon vorgeschlagen, so zu tun als ob.
    AMORY Wenn wir’s täten, könnte etwas sehr Großes daraus werden.
    ROSALIND Warum?
    [269] AMORY Weil selbstsüchtige Menschen irgendwie wahnsinnig begabt sind für große Gefühle.
    ROSALIND schürzt die Lippen Tu so als ob.
    Sehr bedächtig küssen sie sich.
    AMORY Ich kann schlecht schmeicheln. Aber du bist wirklich wunderschön.
    ROSALIND Nicht so was.
    AMORY Was dann?
    ROSALIND traurig Ach nichts – ich will einfach was Sentimentales, was ganz Sentimentales – und kann’s nie finden.
    AMORY Ich finde nie was anderes als das, und ich kann’s nicht ausstehen.
    ROSALIND Es ist wirklich schwer, ein männliches Wesen zu finden, das den eigenen künstlerischen Geschmack befriedigt.
    Irgendwo ist eine Tür geöffnet worden, und Walzermusik dringt in den Raum. ROSALIND steht auf.
    ROSALIND Hör doch! Sie spielen Kiss Me Again.
    Er schaut sie an.
    AMORY Na?
    ROSALIND Na?
    AMORY sanft – gibt sich geschlagen Ich liebe dich.
    ROSALIND Ich liebe dich – jetzt.
    Sie küssen sich.
    AMORY O Gott, was habe ich getan?
    ROSALIND Nichts. Oh, sprich nicht. Küss mich.
    AMORY Ich weiß nicht, wie und warum, aber ich liebe dich – vom ersten Augenblick an.
    ROSALIND Ich auch – ich – ich – ach, heut Nacht ist heut Nacht.
    [270] Ihr Bruder schlendert herein, fährt zusammen, sagt dann laut »Oh, Verzeihung!« und geht wieder.
    ROSALIND bewegt kaum die Lippen dabei Lass mich nicht los – es ist mir egal, wer’s sieht, was ich tue.
    AMORY Sag’s!
    ROSALIND Ich liebe dich – jetzt. Sie lassen sich los Oh – ich bin sehr jung, Gott sei Dank – und schön, Gott sei Dank – und glücklich, Gott sei Dank, Gott sei Dank – Sie hält inne und fügt dann, in seltsamer Vorahnung, hinzu: Armer Amory! Er küsst sie erneut.
    Kismet
    Binnen zwei Wochen waren Amory und Rosalind tief und leidenschaftlich ineinander verliebt. Die schwierigen Eigenschaften, die beiden schon ein Dutzend Affären verdorben hatten, wurden nun durch die große Gefühlswelle gedämpft, die sie beide überrollte.
    »Es mag eine unsinnige Liebesaffäre sein«, erklärte sie ihrer besorgten Mutter, »aber bestimmt keine stumpfsinnige.«
    Diese Welle fegte Amory Anfang März in eine Werbeagentur, wo er in erstaunlichen Anfällen außergewöhnliche Arbeit leistete und dann wieder in wilde Träume von plötzlichem Reichtum und Italienreisen mit Rosalind verfiel.
    Sie waren ständig zusammen, zum Lunch, zum Dinner, fast jeden Abend – immer in einer Art atemlosen Stillschweigens, als fürchteten sie, dass jede Minute der Zauber zu Ende sein könnte und sie aus diesem Paradies aus Rosen [271] und Flammen vertreiben würde. Doch der Zauber wurde zur Trance, schien von Tag zu Tag stärker zu werden; sie sprachen von Heirat im Juli – im Juni. Das ganze Leben bestand nur noch aus Liebesworten, alle Erfahrung, alle Sehnsüchte, alle Ambitionen waren null und nichtig – ihr Sinn für Humor legte sich in einem Winkel zum Schlafen nieder; ihre früheren Liebesaffären schienen eher lächerliche, kaum zu bedauernde Jugendtorheiten.
    Zum zweiten Mal in seinem Leben hatte Amory eine völlige Wandlung durchgemacht und gewann nun schnell den Anschluss an seine Generation.
    Ein kleines Zwischenspiel
    Amory schlenderte gemächlich die Avenue entlang und hatte das Gefühl, dass die Nacht ausschließlich ihm gehörte – das prächtige und ausgelassene Treiben in der bunten Dämmerung und auf den düsteren Straßen… er schien nun endlich das Buch der verblassenden Harmonien geschlossen zu haben und ins wirkliche, vibrierend sinnliche Leben getreten zu sein. Überall die zahllosen Lichter, die Verheißung einer Nacht voll Straßenleben und Gesang – er bewegte sich halb im Traum durch die Menge, als erwarte er hinter jeder Ecke, Rosalind mit eiligem Schritt auf sich zulaufen zu sehen… Wie die unvergesslichen Gesichter der Dämmerung mit dem ihren verschmolzen, die Myriaden von Schritten; wie tausend kleine Ouvertüren mit ihren Schritten verschmolzen; und der sanfte Blick ihrer Augen

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