Diesseits vom Paradies
das klare Wasser.
»Natürlich musste danach ich springen – ich wäre beinahe draufgegangen. Ich fand’s schon ziemlich gut, dass ich’s überhaupt probiert hab. Von den anderen hat’s keiner probiert. Na, und nachher hatte Rosalind doch glatt die Frechheit, mich zu fragen, warum ich in Froschhaltung gesprungen sei. ›Das hat die Sache kein bisschen leichter gemacht‹, sagte sie. ›Aber es sah überhaupt nicht mehr mutig aus.‹ Ich frage Sie, was soll ein Mann mit so einem Mädchen anfangen? Verlorene Liebesmüh, sage ich.«
Gillespie entging der Grund dafür, dass Amory während des ganzen Mittagessens heiter vor sich hinlächelte. Vielleicht hielt er ihn für einen von diesen hohlköpfigen Optimisten.
Fünf Wochen später
Wieder die Bibliothek im Hause Connage. Rosalind sitzt allein auf der Couch und starrt finster und unglücklich ins [276] Leere. Sie ist deutlich verändert – hat etwas abgenommen; ihre Augen strahlen nicht mehr so hell; sie sieht gut und gern ein Jahr älter aus.
Ihre Mutter kommt herein, in einen Abendmantel gehüllt. Sie erfasst ROSALIND mit einem einzigen raschen, nervösen Blick.
MRS. CONNAGE Wer kommt heute Abend?
ROSALIND hört sie nicht, beachtet sie jedenfalls nicht.
MRS. CONNAGE Alec holt mich gleich ab, wir gehen in dieses Stück von Barrie, Et tu, Brutus. Sie bemerkt, dass sie zu sich selber spricht. Rosalind! Ich habe dich gefragt, wer heute Abend kommt.
ROSALIND schreckt auf Oh – was – oh – Amory –
MRS. CONNAGE sarkastisch Du hast in letzter Zeit derart viele Verehrer, dass ich nicht sicher war, welcher heute dran ist. ROSALIND antwortet nicht. Dawson Ryder ist geduldiger, als ich dachte. Du hast ihm in dieser Woche noch keinen einzigen Abend gegönnt.
ROSALIND mit einem sehr müden Ausdruck, der auf ihrem Gesicht ganz neu ist Mutter – bitte…
MRS. CONNAGE Oh, ich misch mich nicht ein. Du hast jetzt schon mehr als zwei Monate an ein theoretisches Genie verschwendet, das in der Praxis keinen Penny besitzt, aber bitte, mach nur so weiter, verschwende dein Leben an ihn. Ich misch mich nicht ein.
ROSALIND als sagte sie eine lästige Lektion auf Du weißt, dass er ein paar Einkünfte hat – und du weißt auch, dass er bei der Werbeagentur fünfunddreißig Dollar die Woche verdient…
MRS. CONNAGE Das reicht nicht einmal für deine [277] Kleider. Sie wartet, doch ROSALIND gibt keine Antwort. Ich will doch nur dein Bestes, wenn ich dir sage, dass du keinen Schritt tun sollst, den du dein Leben lang bereuen wirst. Bedenke, dass dein Vater dich nicht unterstützen kann. In letzter Zeit ist es für ihn sehr schwer gewesen, und er ist ein alter Mann. Du wärst völlig von einem Träumer abhängig, einem netten Jungen aus gutem Hause, aber einem Träumer, der nichts ist – außer gescheit. Sie will damit andeuten, dass diese Eigenschaft an sich ziemlich schädlich ist.
ROSALIND Um Himmels willen, Mutter…
Ein Mädchen erscheint und meldet Mr. Blaine, der ihr auf dem Fuße folgt. AMORYS Freunde sagen ihm seit zehn Tagen, er sehe aus wie der »Zorn Gottes«, und er sieht tatsächlich so aus. Er hat in den letzten sechsunddreißig Stunden nicht einen Bissen heruntergebracht.
AMORY Guten Abend, Mrs. Connage.
MRS. CONNAGE nicht unfreundlich Guten Abend, Amory.
AMORY und ROSALIND wechseln einen schnellen Blick – und ALEC kommt herein. ALEC hat während der ganzen Affäre einen neutralen Standpunkt gewahrt. Tief in seinem Innern ist er davon überzeugt, dass eine Heirat AMORY mittelmäßig wäre und ROSALIND unglücklich machen würde, doch hegt er für beide große Sympathie.
ALEC Hallo, Amory!
AMORY Hallo, Alec! Tom hat gesagt, er hätte dich im Theater getroffen.
ALEC Ja, hab ihn gerade gesehen. Und was gab’s Neues bei der Werbung heute? Irgendeinen brillanten Text verfasst?
[278] AMORY Ach, es ist immer dasselbe. Ich hab eine Gehaltserhöhung – alle heften aufmerksam den Blick auf ihn – von zwei Dollar die Woche bekommen. Allgemeines Insichzusammensinken.
MRS. CONNAGE Komm, Alec, ich höre den Wagen.
Reihum »Guten Abend«, das teilweise recht frostig ausfällt. Nachdem MRS. CONNAGE und ALEC hinausgegangen sind, herrscht Schweigen. ROSALIND starrt noch immer düster auf den Kamin. AMORY geht zu ihr und legt den Arm um sie.
AMORY Mein Liebling.
Sie küssen sich. Wieder Schweigen, dann nimmt sie seine Hand, bedeckt sie mit Küssen und presst sie an ihre Brust.
ROSALIND traurig Deine Hände liebe ich mehr als alles andere. Ich seh sie oft
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