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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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kanns, denn morgen kanns ssu Ende sein. Das is’ jetz meine Philosophie.«
    Carling gähnte, doch Amory fuhr mit wachsender Brillanz fort: »Hab mich immer gewunnert – Leute mit ’m Kompromiss zufriedn, mit ’m Wischiwaschilebn – jetz wunnert mich nix mehr, wunnert mich nix mehr…« Er bleute Carling die Tatsache, dass er sich über nichts mehr wunderte, so nachdrücklich ein, dass er den Faden verlor und zum Abschluss in der Bar lauthals verkündete, er sei »völlich zum Tier« geworden.
    »Was feierst du eigentlich, Amory?«
    Amory beugte sich vertraulich vor.
    »Ich feier, dass mein Lebn im Eimer is. Großer Moment, mein Lebn im Eimer. Kanns dir nich erzähln…«
    Er hörte Carling zum Barkeeper sagen: »Geben Sie ihm ein Alka-Seltzer.«
    Amory schüttelte entrüstet den Kopf.
    »Doch nich so was!«
    »Amory, hör zu, du machst dich krank. Du siehst schon aus wie ein Gespenst.«
    Amory dachte über das Problem nach. Er versuchte, sich im Spiegel zu betrachten, aber selbst wenn er ein Auge [289] zukniff, konnte er nicht weiter als bis zu der Flaschenreihe hinter der Bar sehen.
    »Möcht was Orntliches. Gehn wir was essen – ’n Salat.« Er versuchte, sich lässig den Mantel überzuwerfen, doch ohne den sicheren Halt an der Theke geriet er gefährlich ins Schwanken und kippte gegen einen Stuhl.
    »Wir gehen rüber ins Chanley«, schlug Carling vor und bot ihm seinen Ellbogen.
    Mit dieser Hilfestellung bekam Amory seine Beine immerhin so weit unter Kontrolle, dass sie ihn über die Zweiundvierzigste Straße trugen.
    Im Chanley war es sehr schummrig. Er hörte sich mit lauter Stimme sehr prägnant und überzeugend, wie er glaubte, darüber sprechen, dass er Leute wie Ungeziefer zertreten wolle. Er vertilgte drei Clubsandwiches, schlang sie herunter, als hätten sie die Größe eines Schokoladenbonbons. Dann tauchte Rosalind erneut in seinen Gedanken auf, und er spürte, wie seine Lippen wieder und wieder ihren Namen formten. Als Nächstes überkam ihn Müdigkeit, verschwommen und desinteressiert nahm er Leute in Abendanzügen wahr, vermutlich Kellner, die um den Tisch herumstanden…
    Er war in einem Zimmer, und Carling sagte etwas von einem verknoteten Schnürsenkel…
    »Machnix«, brachte er gerade noch schlaftrunken heraus, »kann drin schlafn…«
    [290] Noch immer alkoholisiert
    Er erwachte mit einem Lachen, und sein Blick wanderte durch den Raum, offensichtlich ein Zimmer mit Bad in einem guten Hotel. Ihm schwirrte der Kopf, und vor seinen Augen erschienen immer neue Bilder, die sich verwischten und auflösten, doch außer der Lachlust zeigte er keine klaren Reaktionen. Er griff zum Telefon neben seinem Bett.
    »Hallo – welches Hotel ist das hier? Knickerbocker? Gut, bringen Sie zwei Rye-Highball herauf.«
    Er blieb einen Moment liegen und dachte vergeblich darüber nach, ob sie wohl eine ganze Flasche oder nur zwei von diesen lächerlichen kleinen Gläsern bringen würden.
    Dann gab er sich einen Ruck, mühte sich aus dem Bett und ging gemächlich ins Bad.
    Als er herauskam und sich noch mit müden Bewegungen abtrocknete, war auch schon der Barjunge mit den Getränken da, und er hatte plötzlich Lust, ihn zu verulken. Doch nach kurzer Überlegung hielt er das für seiner nicht würdig, und er entließ ihn mit einem Wink.
    Während der neue Alkohol in seinen Magen strömte und ihn wärmte, ergaben die einzelnen Bilder langsam einen Film des vergangenen Tages. Wieder sah er Rosalind zusammengekrümmt in den Kissen liegen und weinen, wieder spürte er ihre Tränen an seiner Wange. Ihre Worte klangen ihm im Ohr: »Vergiss mich niemals, Amory – vergiss mich niemals…«
    »Zum Teufel!«, stieß er laut hervor, rang nach Luft und fiel, vom Kummer krampfhaft geschüttelt, aufs Bett. Nach einer Weile öffnete er die Augen und betrachtete die Decke.
    [291] »Verdammter Narr!«, rief er voll Abscheu, erhob sich mit einem tonnenschweren Seufzer und steuerte auf die Flasche zu. Nach einem weiteren Glas erlaubte er sich den Luxus, seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Mutwillig rief er sich kleine Ereignisse vom vergangenen Frühjahr ins Gedächtnis zurück, verlor sich in gefühlvollen Phrasen, die ihn noch tiefer im Kummer versinken ließen.
    »Wir waren so glücklich«, rief er in dramatischem Tonfall, »so unendlich glücklich.« Dann ließ er wieder die Tränen fließen und kniete sich neben das Bett, den Kopf in die Kissen vergraben.
    »Mein geliebtes Mädchen – mein geliebtes – oh…«
    Er biss

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