Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)
seinen Barsch. Doch den Barsch wollte die Freundin nicht haben, und so landete er bei Alexander im Aquarium.
Der Barsch benahm sich anfangs etwas komisch. Als Erstes verdoppelte er seine Größe. Er wuchs so schnell, dass die anderen Fische bald nur noch an die Glaswand gedrückt an ihm vorbeischwimmen konnten. Die Welse und Feuerschwänze versteckten sich hinter Steinen, während der Barsch an der dicken Aquariumswand klebte und am Glas lutschte. Zwischendurch schikanierte er andere Fische, wo immer er sie traf. Er schubste die Welse, lutschte den Schnecken an den Hörnern und zupfte dem Feuerschwanz das Feuer aus dem Schwanz. Mein Freund Alexander hatte nicht umsonst viel Zeit in die Zusammenstellung seines Aquariums investiert. Er hatte darin nur solche Exemplare versammelt, die sich nicht leicht aus der Fassung bringen ließen. Den Schnecken waren ihre Hörner keine Auseinandersetzung mit einem Barsch wert, außerdem wuchsen sie schnell nach. Die geschubsten Welse bewegten sich gerade einmal zwei Zentimeter zur Seite und legten sich wieder hin. Nur der Feuerschwanz schwor Rache und mied den Barsch so gut es ging. Im Großen und Ganzen ließen sich die Aquariumbewohner also nicht provozieren. Auch der Barsch beruhigte sich und nahm wieder etwas ab, als er merkte, dass keine unmittelbare Gefahr in dieser neuen Gesellschaft für ihn bestand und er sich nicht sofort wieder anstrengen musste, um in ein Eichhörnchen zu evolutionieren.
Nach ein paar Wochen kaufte mein Freund Alexander ein Barsch-Weibchen dazu. Das Weibchen trug ihren Rogen mit großer Vorsicht im Maul und hatte große Angst, ein Körnchen davon zu verlieren. Es machte deswegen bald sein Maul gar nicht mehr auf. Das Barsch-Männchen verspürte jedoch den Drang, diesen Rogen zu sehen. Auf einmal bekam er kleine bunte Pünktchen am Schwanz, die genau wie Kaviarkügelchen aussahen. Er wedelte angestrengt mit seinem Hinterteil dem Weibchen vor der Nase herum. Das Weibchen dachte, in Panik doch ein paar Kügelchen verloren zu haben, machte das Maul auf und versuchte das verloren gegangene wieder heimzuholen. Auf diese Weise befruchtete der hinterhältige Barsch seine Partnerin.
Selbst bei dieser oberflächlichen Betrachtung wird einem schnell klar, dass das Leben der Barsche viel komplizierter als das der Menschen ist. So viel Intelligenz, Eiertanz und Anpassungsvermögen, so viel Offenheit der sich ständig ändernden Welt gegenüber würden Menschen nie aufbringen. Deswegen ist bei uns das sogenannte »Multikulti« gescheitert, wie die Bundeskanzlerin es nannte, und im Aquarium nicht.
Ich habe mir erst einmal einen Angelschein für eine Woche besorgt. Ich hörte die Fische schon lachen. Sollten wir im Zuge der Evolution jemals im gleichen Aquarium landen, mögen die Barsche doch bitte Nachsicht mit mir haben. Ich habe in der ersten Woche keinen Fisch gefangen. Na und? Ich ließ nicht locker und kaufte bei Hartmut einen weiteren Angelschein, diesmal für ein halbes Jahr. Seit Beginn des Jahres besaßen wir das Häuschen am Glücklitzer See nun schon. Und seit der ersten Woche war ich regelmäßig am Glücklitzer See angeln gegangen und mit leeren Händen zurückgekommen. Als Angler fühlte ich mich hier nicht richtig in die Natur integriert, sogar von ihr ausgetrickst. Ich war ein Fremdkörper. Die einfachste Erklärung meiner Anglermisere wäre es zu behaupten, im Glücklitzer See gäbe es überhaupt keine Fische. Deswegen sah man hier auch kaum Angler. Doch das wäre eine schwache Ausrede. In Wirklichkeit gibt es hier jede Menge Fische. Zumindest einen habe ich schon gesehen, sogar angefasst. Angler gibt es in der Tat kaum, aber das hat bloß damit zu tun, dass nur noch sehr wenige Leute in der Umgebung wohnen. Offiziell sind hier, wie gesagt, dreihundert Einwohner gemeldet, gefühlt sind es drei. Und jeder zweite von ihnen geht angeln. Ich kann nicht sagen, ob dieser zweite deutlich mehr Erfolg hat als ich. Entweder finden die Fische im Glücklitzer See genug zu fressen, oder sie sind wie die Bewohner des zum See gehörenden Dorfes auf Langlebigkeit programmiert und verzichten deshalb auf jegliche Zusatznahrung.
Wovon die Einwohner sich ernähren, ist allerdings völlig unklar. Es gibt keinen einzigen Laden im Dorf, und einen großen Garten hat hier ebenfalls keiner. Dabei sind die meisten Leute hier unheimlich alt. Es scheint tatsächlich wahr zu sein, dass die Menschen auf dem Lande länger leben als in der Stadt. Man braucht dazu keine Statistik,
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