Dihati Qo – Die, die sind
spricht.«
»Nein, frag nicht!«, flehte Eric Norak an.
»Ich muss , Eric. Sieh doch, wir haben eine Chance. Ich weiß, dass wir im Dorf gebraucht werden, aber …«
»Du machst das nicht wegen einer Chance. Dem Fürsten gegenüber sind wir machtlos. Deine Träume treiben Dich dazu!«
Norak schloss die Augen und holte tief Luft. »Gut. Es sind meine Träume, die mich beschäftigen, aber …«
»Darf ich Euch kurz unterbrechen?« Tobins Frage war rein rhetorischer Natur. »Ich kenne Deine Träume nicht, Norak. Und Deine Bedenken, Eric, kann ich verstehen. Doch wir haben die Möglichkeit, den Prinzen zu finden. Ihn und den Ring! Woher sollte die Amme wissen, ob der Prinz tot ist? Sie phantasiert zum größten Teil.«
Der rote Herold witterte Hoffnung. Zu lange zogen Unzufriedenheit und Leid Furchen in sein Gesicht. Doch er klammerte sich an einen Strohhalm, wenn er auf den Thronfolger hoffte. »Der Prinz ist mittlerweile ein Knabe. Er könnte seinen legitimen Platz als König einnehmen und mit dem Ring den Fürsten vernichten. Wenn die schwarzen Reiter ihn vor uns finden, nun, dann sind alle unsere Hoffnungen begraben.«
Norak sah Eric an. Sie zwangen Eric einen Weg zu gehen, den er nicht wollte. »Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Leuten!«, platzte es aus ihm heraus.
»Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber unserem Land«, entgegnete Tobin an Noraks Stelle. »Wir alle! Oder willst Du so weiterleben wie bisher?«
»Nein, will ich nicht! Aber Ihr beide wisst genauso gut wie ich, wie schwach dieser Hoffnungsschimmer ist. Ist es das wert, unsere Leute dafür im Stich zu lassen?«
»Ist es das wert, alle im Stich zu lassen?«, erwiderte Norak. »Wir müssen unseren Leuten helfen, richtig. Aber wenn Du Deine Unbill gegen meine Träume beiseitelässt, helfen wir ihnen nicht besser, indem wir den Prinzen finden?«
Norak fühlte mit seinem Freund. Das Dorf wartete auf ihre Rückkehr, die Leute brauchten sie. Doch Norak glaubte an seine Träume; er glaubte an die Hoffnung. Eric hatte keine Träume, aber hatte er auch keine Hoffnung?
Eric rang mit sich. Etwas in ihm wollte zurück zum Dorf und seinem Vater helfen. Etwas anderes sah dieses größere Ziel. Das Ziel der Veränderung. Weit entfernt, kaum zu fassen, doch vorhanden. Er schloss die Augen und schluckte den rauen Stein in seiner Kehle hinunter. Zum zweiten Mal an einem Abend musste er kapitulieren. »Na gut«, sagte er zu Norak. »Dann stell Deine Frage.«
Norak wandte sich an den Herold. »Sag, wo liegt diese Höhle?«
6
Die Höhle namens ›Ontru Ulelu‹ befand sich in südöstlicher Richtung sieben Tagesreisen weit entfernt. Norak, Eric und Tobin folgten dem Fluss Nabab vier Tage lang nach Süden, bevor sie an eine Furt kamen.
Eric tätschelte nervös den Kopf seines Kriegsbeils. Sie hatten sich im Dorf des Herolds mit Holzschilden und Waffen ausgerüstet. Bisher benötigten sie diese nicht. Dank Tobins Ortskenntnis konnten sie die Patrouillen umgehen und waren unbehelligt vorangekommen. Erics Nackenhaaren war das egal; sie wollten sich einfach nicht legen.
Tobins Augen glitten über die dunkle Wasseroberfläche. Der Wind zerzauste seine rote Mähne. Er stocherte mit seinem Speer nach der Beschaffenheit des Flussbetts. Den Kopf schüttelnd trat er zurück und zupfte Langbogen und Köcher zurecht. »Wir überqueren den Fluss morgen früh. Wäre zu schade, wenn einer aufgrund der Dunkelheit unfreiwillig baden ging.«
»Gut«, stimmte Norak zu. »Wollen wir unser Nachtlager hier aufschlagen?«
»Nein. Lasst uns ein Stück flussauf gehen. Ein Trupp schwarzer Reiter könnte sonst die gleiche Idee haben und uns überraschen.«
Die Gefahr auf die Reiter zu treffen, war hier allgegenwärtig. Sie befanden sich drei Tagesreisen von der Höhle entfernt. Und die Ritter bewachten das Schloss in ihrer Nähe eifersüchtig.
Der neue Fürst hatte aus dem Schaden eines anderen gelernt und seine Festung auf den Steilhängen der Berge errichtet. Doch es missfiel ihm, dass die Bevölkerung Zuflucht in der Burgruine suchen konnte. Daher versammelte er eine starke Truppenpräsenz dort. Zusätzlich hatten diese Männer auf der Suche nach dem Ring das Gemäuer von der Turmspitze bis zum Weinkeller abgeklopft und geplündert - mehrmals. Man konnte nie sicher sein, einen Geheimgang übersehen zu haben.
* * *
Die drei schlugen ihr Lager in Sichtweite der Furt auf. An ein Feuer war nicht zu denken. Es hätte sie trotz ihrer Vorsichtsmaßnahme verraten.
Weitere Kostenlose Bücher