Dihati Qo – Die, die sind
Phantasien zu bannen. Er blinzelte den Machtschleier aus seinen Augen. »Was ist mit Dir los?«, fragte er sich selbst. Er ließ die Wachen in der Ecke wimmern und eilte die Treppe zum letzten Stockwerk nach oben.
* * *
Da war sie wieder. Die Wasserkugel. Genau dort, wo er sie zurückgelassen hatte. Nach wie vor von einem Barrierezauber geschützt. Doch das wollte Norak ändern.
Er bombardierte die magische Schutzmauer mit Angriffszaubern, um sie zu testen. Er studierte ihre Struktur und ließ sich dabei Zeit, denn diesmal war er überzeugt, die Barriere zu durchbrechen.
»So schwer kann es nicht sein«, flüsterte er. »Etwas Kompliziertes traue ich diesem Narren nicht zu.« Während er murmelnd seine Gedanken sortierte, war es, als forderte er sich selbst auf, die Lösung zu offenbaren. »Zeige es mir!«, rief er.
Und da war es! Er erkannte den Aufbau des Zaubers. Er war so offensichtlich, ja geradezu jämmerlich einfach. Norak verzog den Mund. Welch dilettantisches Machwerk! Mit einer Handbewegung wischte er diesen Turm aus kindlichen Bauklötzen hinfort und nahm das, was ihm zustand. Die Kugel war sein.
* * *
»Falls Ihr Eure Enkel aufwachsen sehen wollt, bleibt lieber auf Abstand!« Eric fand, Norak könne sich ruhig beeilen. Er versuchte die Gnome in Schach zu halten, drohte mit magischen Konsequenzen und ließ seine Axt kreisen. Doch der Schrecken seiner Worte nahm im gleichen Maße ab, wie die Übermacht der Soldaten zu.
Ein dumpfer Knall in seinem Rücken und Erics Puls und Atmung setzten aus. Dann peitschten seine Reflexe die Muskeln zum Handeln. Eric wirbelte um die eigene Achse und holte mit der Axt Schwung.
Er erkannte seinen Gegner und seine Augen weiteten sich. Eric bremste die Axt ab, kurz bevor er sie in Noraks Schädel gerammt hätte. Norak nahm den Versuch missbilligend zur Kenntnis.
Verlegen, aber auch sehr erleichtert, betrachtete Eric seinen Freund, der durch die Luke herabgesprungen war. Norak hatte die Illusion eines Gnoms aufgegeben. Eine weise Entscheidung. Eric hätte womöglich seinen Angriff sonst nicht abgebrochen.
Eric senkte die Axt und Norak hielt dafür eine blau schimmernde Kugel in die Höhe. Die Freunde lächelten sich an. Diesmal hatte es geklappt.
36
»Was nun?« Die Frage klang vertraut. Eric hatte sie nicht zum ersten Mal gestellt, Norak sie sicherlich nicht zum letzten Mal gehört. Trotz allem stand sie im Raum und harrte ihrer Beantwortung.
Sie befanden sich im Turm auf Bodenebene. Die Wächter waren ins Freie geflüchtet. Die hastig aufgerissene Pforte hing in ihren Angeln und offenbarte den Blick auf eine desorganisierte Gnomenarmee. Und der Aufmarsch der Gegenseite hatte bereits konkrete Formen angenommen.
Noraks Hände zitterten. Er krampfte sie um die Wasserkugel. Er konnte seine Erregung nicht verbergen. Seine Gefühle spielten eine Symphonie in vollendeter Disharmonie mit seinem Verstand.
Er umklammerte die Wurzel und die Lösung des Problems mit seinen Händen. Nur hatte ein Teil von ihm nicht die Absicht, diese Lösung wieder herzugeben. Die Kugel symbolisierte Macht! Er brauchte jedes magische Artefakt gegen den Fürsten, das er finden konnte. Warum hergeben? Warum helfen? In einer künstlichen Welt? Seine Welt war in Gefahr. Die reale Welt. Seine Realität. Er musste diesen Leuten nicht helfen. Die Abmachung war, sie zum Orakel zu führen. Sicher konnte er das Culum mit seinen neuentdeckten Kräften auch alleine finden. »Lass uns gehen!«, raunte er Eric zu.
Dieser war verwirrt. »Und dann? Was machen wir, wenn wir draußen sind? Wie gehen wir gegen die Leute vor?«
»Gar nicht!« Noraks blaue Augen schreckten im Raum umher, in jeden Winkel spähend. Er achtete darauf, Gopolan und Retsetlee nicht am Gespräch teilhaben zu lassen. Vor wem fürchtete er sich eigentlich? Vor ihnen? Vor sich selbst?
»Was soll das? Norak, bist Du bei Sinnen?« Für Eric stand zweifelsfrei fest, dass er es nicht war. Auch er bekam Angst. Angst vor Norak; Angst, falsch zu reagieren.
»Wir haben die Kugel, Eric, was brauchen wir mehr? Das Seraphenschwert, gut, deswegen sind wir hier. Aber stell Dir nur vor, wir verwenden beides gegen den Fürsten? Eric, wir haben Macht …«
» Du hast Macht. Hier an diesem Ort. Nicht ich. Und wie verlockend Dein Vorschlag auch klingt, meinst Du nicht, dass Du den falschen Weg einschlägst? Willst Du die Leute im Stich lassen? Ist es Dir egal, was aus ihnen wird?«
»Was soll schon aus ihnen werden?«, fauchte Norak. »Es sind
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