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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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hätte folgen können. Ein Konflikt mit China vielleicht. Eine Gegeninvasion durch die amerikanischen Kulturen, die Inkas oder Azteken … Aber ich bin keine Expertin, Tom.«
    »Wer ist das schon auf diesem speziellen Gebiet?« Er saugte an der Pfeife und wischte Ascheflocken von seiner Hose. »Wissen Sie, all dieses Herumgepfusche der einen oder anderen Seite an der Geschichte – es ist, als würde sich unser heutiger Krieg gegen die Nazis in die Vergangenheit verlängern. Erstaunlicher Gedanke. Aber sagen Sie mir … rein hypothetisch … Wenn Sie die Macht hätten, eine Veränderung vorzunehmen – Ihre Dünkirchen-Intervention zum Beispiel –, wenn es nur darum ginge, auf einen Knopf zu drücken – würden Sie’s tun?«
    Darüber hatte sie bereits lange und gründlich nachgedacht. Infolge der eingehenden Lektüre von Geoffreys schmerzerfülltem Bericht war sie zu der Überzeugung gelangt, dass niemand die Grundstruktur des Zeitteppichs
wirklich verstand, obwohl so viele Hände eifrig an ihm herumzupften. Und jede Einmischung hatte einen Webfehler zur Folge. Sie wollte Mackie nichts von den Hinweisen auf Löcher erzählen, die sie gefunden zu haben glaubte, Stellen, die es ihr absolut plausibel erscheinen ließen, dass eine Figur aus dem Webmuster der Jahrhunderte herausgerissen worden war. Robin Hood zum Beispiel – eine Hülle der Legende um eine Figur, die existiert haben sollte . Blasen übrig gebliebener Kausalität.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie aufrichtig. »Ich halte es für möglich, dass schon die geringste Veränderung die vernichtendsten Folgen nach sich zieht. Wie al-Hafredi könnte man seine eigene Geschichtslinie vollständig auslöschen, könnte den Ast absägen, auf dem man sitzt. Man könnte eine Welt erschaffen, in der niemals jemand geboren werden würde, der auch nur die geringste Ähnlichkeit mit einem selbst aufweist …«
    »Das kommt mir ein wenig übertrieben vor«, murmelte Mackie. »Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die Geschichte vielleicht nicht ganz so unflexibel ist. Es könnte ja auch sein, dass die Folgen einer solchen Veränderung gewissermaßen wie kleine Wellen wären. Der Zeitteppich muss schon ein robustes Fabrikat sein. Die Muster würden erhalten bleiben, nicht wahr, selbst wenn man hier und dort einen Faden herauszöge? Nebenbei bemerkt, die Physiker haben nichts dazu zu sagen. Nichts Vernünftiges jedenfalls, was typisch für diese Bagage ist.«
    »Und wenn Sie den Knopf drücken könnten?«

    Er schürzte die Lippen. »Ich hätte gern mehr Daten. Aber ich könnte mir denken, dass es möglich wäre, die Wirkungen von Interventionen zu kalibrieren.«
    »Kalibrieren?«
    »Es würde bedeuten, dass man die Geschichte von einer Geisteswissenschaft in eine Naturwissenschaft verwandelt, aber trotzdem! Stellen Sie sich vor, wie viel Gutes man mit einer solchen Macht bewirken könnte.«
    Und das, dachte sie, war der Unterschied zwischen ihr und Männern wie ihm. Mackie war ein Instrumentalist, der in dieser Technik nur eine Waffe sah. Sie sah Schrecknisse. Aber dann dachte sie an ihre eigene Dünkirchen-Gegengeschichte. Nur wenn man verzweifelt genug war, dachte sie. Nur dann …
    »Natürlich gebietet uns das alles«, meinte Mackie, »dafür zu sorgen, dass diese Technik, sofern sie überhaupt existiert, nicht in die falschen Hände gelangt.«
    »Sie meinen die Nazis, die Russen …«
    »Und die verdammten Amerikaner, meine Liebe, ist nicht böse gemeint! Jetzt kommen Sie, verschwinden wir von hier. Kann ich Sie irgendwohin mitnehmen?« Sie stand auf. Er nahm ihren Arm und führte sie aus den Ruinen des Minsters hinaus.
    Draußen vor dem Minster fuhr ein »Freiheitsbus« vor, ein Passion Wagon, der junge Frauen zu Tanzveranstaltungen auf den Stützpunkten der GIs brachte. Die Landarbeiterinnen strömten dorthin, bunt gekleidet, schmutzig und lachend.

VI
    3. Juli
    Der Bereitstellungsraum für die britische Zweite Armee lag südlich von Guildford.
    Gary erreichte Guildford am späten Nachmittag, nachdem er mit Willis Farjeon, Dougie Skelland und dem Rest ihres Zuges hinten in Studebakers von Aldershot dorthin gefahren worden war. Als sie vor Ort eintrafen, ergoss sich gerade ein Strom von Menschen und Maschinen durchs alte Stadtzentrum. An jeder Kreuzung standen Militärpolizisten und Unteroffiziere und lenkten den Strom nach einem komplizierten Plan. Selbst die Straßen hatten wieder instand gesetzt werden müssen, um den Verkehr aufzunehmen; man hatte

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