Diktator
geführt. In dem Raum um das Monument herum hatten bereits andere Gruppen Aufstellung genommen; Gary sah Einheiten der Wehrmacht, der Luftwaffe und der SS, darunter auch eine Gruppe mit den unverwechselbaren Armbinden der Legion des heiligen Georg, des britischen Ablegers der SS. Es gab sogar Formationen der Landwacht und der Hitlerjugend, die alle stolz unter Nazibannern standen. Die Fahne von Albion flatterte, das Georgskreuz mit einem Hakenkreuz im Kreis in der Mitte.
Im Zentrum von alledem stand das Monument. Nur ein Bruchteil davon war bisher fertiggestellt worden, aber in dieser Nacht hatte man riesige Nazifahnen an das Gerüst gehängt und mächtige Scheinwerfer in einem Ring um die Basis der vier Beine herum aufgestellt, so dass ihre Strahlen einen Triumphbogen aus Licht am Himmel erzeugten, einen Traum des fertigen Monuments, das eines Tages vielleicht an dieser Stelle stehen würde.
Nun richteten sich weitere Scheinwerfer auf eine Limousine, einen Rolls-Royce, der in das Gelände glitt. SS-Leute trabten neben ihm her, die automatischen Waffen im Anschlag. Die Kapelle wechselte eilig zu einem Marschlied der SS. Eine Welle der Erregung durchlief die versammelten Menschen.
»Wer, zum Teufel, ist das?«, murmelten die Briten.
Ein SS-Offizier trat vor die Stalag-Gefangenen und begann, Namen aufzurufen. Die Aufgerufenen traten vor. Erschrocken hörte Gary, wie sein Name erklang.
»Wooler. Corporal Wooler, G. Treten Sie bitte vor.« Ein Mann stieß Gary in den Rücken, und er trat aus dem Glied.
Dann musste er mit vielleicht einem Dutzend anderer – einer davon war Willis Farjeon – in einer Reihe Aufstellung nehmen. Der SS-Mann und der Rangälteste der Briten standen vor ihnen, Adams düster und zornig, der SS-Mann grinsend. Es war derselbe Mann, der Stubbs zuvor niedergeschlagen hatte, wie Gary bemerkte.
»Großes Spektakel, hm?«, sagte Willis aus dem Mundwinkel heraus.
Der SS-Mann hörte es und kam herbei. Willis war größer als er, und der SS-Mann musste zu ihm aufblicken. »Oh, noch viel besser«, sagte er in gutem Englisch. »Warten Sie’s ab, was wir für euch in petto haben!«
»Ich würde es zu schätzen wissen, wenn Sie durch mich zu meinen Männern sprechen würden, Standartenführer Trojan«, knurrte Danny Adams.
»Ja, ja«, sagte Trojan wegwerfend.
Die Limousine hatte am Fuß des Monuments angehalten. Ein SS-Mann öffnete die Beifahrertür. Diverse ranghohe Offiziere näherten sich dem Neuankömmling und salutierten.
Und dann kam der Neuankömmling zu Fuß auf die
britischen Gefangenen zu. Standartenführer Trojan stand hoch aufgerichtet vor Gary und den anderen und zog seine Jacke zurecht. Er sah ungeheuer stolz aus. Dennoch war der näher kommende Mann trotz der protzigen Orden an seiner Brust nicht besonders einnehmend. Sein Körper wirkte schwächlich, er ging mit einwärts gekehrten Zehen und hatte ein rundes Gesicht, dunkle Haare und ein fliehendes Kinn. Er trug eine schwere runde Brille, die sein weiches Gesicht betonte.
»Das ist der Reichsführer SS«, sagte Willis leise. »Dieser verdammte Himmler. Was will der denn hier? Kein Wunder, dass diese SS-Schläger so selbstzufrieden dreinschauen. Himmler persönlich kommt hierher in dieses Drecksloch.«
Himmler, gefolgt von seinen Mannen, schüttelte Trojan die Hand. Der verbeugte sich strahlend. Er deutete mit seiner behandschuhten Rechten auf die Reihe der Gefangenen und sagte etwas in schnellem Deutsch. Willis übersetzte leise und hastig: »›Eine große Ehre, Reichsführer, willkommen bei unseren armseligen Anfängen eines Monuments, Reichsführer, und blabla, darf ich Ihnen den Arsch küssen, Reichsführer …‹«
»Woher kannst du Deutsch, Farjeon?«
»Hab’s gelernt, als ich zur RAF gegangen bin. Wäre ganz nützlich, falls ich mal abgeschossen werde, dachte ich. Moment … ›Hier sind die Männer, die wir unter den prominenten Gefangenen für das Lebensborn-Programm ausgewählt haben.‹«
»›Lebensborn‹?«
»Ja. Alles erstklassige nordische Typen, sagt Trojan! Das sind wir, schätze ich. Verflucht. Gutes arisches Menschenmaterial!«
»Ich will kein ›gutes arisches Menschenmaterial‹ sein«, murmelte Gary.
»Ich glaube, da hast du momentan keine Wahl, alter Junge«, erwiderte Willis. »Und da wir gerade mal drei Meter vom Reichsführer entfernt sind, rate ich dir, die Klappe zu halten … Wir sollen ein Symbol der Einheit der nordischen Rassen in aller Welt sein und ein Beweis für die Theorie,
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