Dimension 12
vierundzwanzigsten Jahrhunderts, wie?«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich kann fahren, wohin ich will, vorausgesetzt, ich mache der Familie keine Schande.«
»Wir möchten, daß du wieder der alte wirst, Leon«, sagte sein Vater.
»Das bin ich. Und war es immer.«
»Nein. Du bist labil. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Nach meinem Tod wirst du alles erben. Soll den mein ganzes Lebenswerk zerfallen?« Grübelnd runzelte er die Stirn. »Eine einjährige Reise wird dich wiederherstellen. Aber wir gehen mit dir keinerlei Risiko mehr ein. Dreimal genügt völlig.« Der alte Rocklin drehte sich um. »Holen Sie den Begleiter.«
»Ich dachte, den hättest du vergessen«, sagte Rocklin.
Der Begleiter trat ein und ging mit ausgestreckter Hand auf Rocklin zu.
»Sie sind Leon«, sagte er bündig. »Nennen Sie mich Roy.«
Ablehnend betrachtete Rocklin die ausgestreckte Hand. Der Begleiter war ein großer, sportlicher Mann Ende Zwanzig. Er war gut gekleidet und bewegte sich elegant. Seine Haut war von einem dunkelblauen Violett mit bronze-grünen Schattierungen. Es gab keine Menschenrasse mit einer ähnlichen Hautfarbe.
»Ich mag dich nicht!« sagte Rocklin. »Verschwinde!«
Mit unverändert freundlichem Lächeln antwortete der Begleiter: »Sie haben leider keine andere Wahl. Wenn ich sonst auch jeden Befehl ausführe, aber eine von Ihnen ausgesprochene Entlassung darf ich nicht annehmen. Wir gehören nun mal zusammen, also machen Sie das beste daraus.«
Rocklin sah seinen Vater empört an. »Wie konntest du mir das antun?«
»Es war die einzige Möglichkeit«, versetzte dieser. »Ich rate dir, dich damit abzufinden. Entschuldige mich. Leon.«
Er machte kehrt und entfernte sich. Im Zimmer waren jetzt nur mehr der Begleiter, der Arzt und der automatische Arzthelfer.
»Du bist nichts weiter als ein Haufen Chemikalien«, sagte Rocklin mit Nachdruck zu seinem Begleiter. »Du bist das schleimige Produkt einer Retorte.«
»Wollen Sie mich beleidigen?« erkundigte sich der Begleiter.
»Ich sage dir bloß, was du bist.«
»Ich bin eine Menschenimitation«, versetzte der Begleiter leichthin. »Zeitweise wünsche ich, meine Erfinder hätten mich nach einem reizvolleren Modell geformt. Nach einem Vogel vielleicht, oder einem Fisch. Aber ich wurde nicht gefragt und jetzt bin ich eben dem Menschen nachgebildet. Ich trage es mit Fassung. In manchen Fragen bin ich Philosoph.«
»Du bist ein mieser Automat in Menschengestalt.«
»Und wenn schon. Soll ich Ihnen den Hergang Ihrer Entstehung schildern? Ich habe ihn beobachtet, Leon. Man kann sich nichts Lächerlicheres oder Tierischeres vorstellen. Zwei Menschen schwitzen und stöhnen – und nach neun Monaten wird auf höchst unappetitliche Weise ein Kind geboren.« Der Begleiter schüttelte den Kopf. »Der einzige Unterschied zwischen uns besteht darin, daß ich ein fehlerloses Produkt bin, Sie aber nicht.«
Rocklin sah dem Androiden fest in die Augen. Er biß sich auf die Lippen und sagte sich, daß es sinnlos sei, diesen Begleiter zur Wut reizen zu wollen. Einen künstlichen Menschen zu beleidigen war dasselbe, wie eine Gummipuppe zu vergewaltigen oder Rumessenz an Stelle echten Rums zu trinken. Abgesehen von Äußerlichkeiten fand man daran keine Befriedigung.
»Na schön«, seufzte er. »Dann habe ich eben einen Begleiter. Ich beneide dich nicht, Roy. Du wirst es nicht leicht mit mir haben.«
»Ich strenge mich gerne an, Leon.«
»Außerdem bin ich wahnsinnig verwöhnt.«
»Um so besser«, entgegnete Roy. Er sah den Arzt fragend an. »Sind Sie einverstanden, wenn Mr. Rocklin und ich jetzt mit der Therapie beginnen?«
Im Laufe einer Woche entdeckte Rocklin, daß er den künstlichen Gefährten zumindest ebenso mochte wie jeden anderen Menschen. Bis auf seine dunkelviolette Hautfarbe und seine Zeugungsunfähigkeit unterschied sich Roy in keiner Weise von einem natürlichen Menschen. In manchen Belangen übertraf er die Menschen sogar. Er konnte zum Beispiel schneller laufen; eine Meile in drei Minuten. Sein ausgeklügelter Stoffwechsel kannte keinerlei Ermüdungserscheinungen. Beim Hochsprung erreichte er die beachtliche Höhe von acht Fuß. Und er vermochte einen Raum mit der Schnelligkeit des Blitzes zu durchqueren, um einem Selbstmörder notfalls das Messer aus der Hand zu reißen. Als ausgebildeter Begleiter hatte Roy die Aufgabe, jede selbstmörderische Bewegung rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Begleiter brauchten keinen Schlaf und waren von einer
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