Dimension 12
sehen, wo er war und wer neben ihm stand.
Er lag in einem Einzelzimmer. Natürlich. Bei Krankenhauskosten knauserten seine Eltern nicht. Ein Einzelzimmer kostete tausend Dollar die Woche, aber das war nebensächlich, wenn es um den einzigen Sohn ging.
Am Fuße seines Tanks standen drei Ärzte. Ein alter, erfahrener und zwei Assistenten Mitte Zwanzig. Im Hintergrund des Zimmers warteten Rocklins Eltern. Die Mutter verhärmt und mager, sein Vater mit zusammengekniffenem Mund und finsterem Gesicht.
»Leon!« jammerte seine Mutter.
Einer der Assistenten drehte sich zu ihr um. Der alte Arzt kam bis auf einen halben Meter an Rocklins emporgewandtes Gesicht heran und sagte: »Sie haben erstaunliche Fortschritte gemacht, junger Mann. Ich freue mich, Ihnen versichern zu dürfen, daß keine Gefahr einer Gangräne besteht.«
»Wunderbar.« Rocklins höhnischer Ton traf den alten Herrn wie ein Peitschenhieb.
Gekränkt sagte der Arzt: »In zwei Wochen überstellen wir Sie zur Bewegungstherapie. Zu Monatsende werden Sie wieder wie neu sein. Das ist übrigens Dr. Heinson, der Ihren Fall übernommen hat.«
Einer der Assistenten trat vor. Er war ein magerer, ehrgeizig aussehender junger Mann. Sicher war er nicht älter als Rocklin, nämlich sechsundzwanzig. Der alte Doktor entfernte sich, und Heinson stellte sich neben Rocklins Tank.
»Ihre Eltern sind hier, Mr. Rocklin«, sagte er. »Wir wollen Sie am ersten Tag Ihres Wachzustandes nicht überanstrengen, aber ein paar Minuten dürfen Sie sich mit ihnen unterhalten.«
»Ich habe keine Lust dazu.«
»Leon!« Wieder der spitze Schrei.
»Bitte, Mrs. Rocklin«, sagte Heinson leise. Mit einer aus Erfahrung geborenen Nachsicht, die weit über seine Jahre hinausging, sah er auf Rocklin hinab. Er haßt mich, dachte Rocklin. Weil ich ein verzogenes Bürschchen bin, das alles hatte, während er sich durchs Studium rackern mußte. Ach, zum Teufel mit ihm. Zum Teufel mit allen.
Heinson sagte beschwichtigend: »Natürlich sind Sie nach einem Monat im Tank nicht mehr daran gewöhnt, mit jemand zu sprechen. Aber wechseln Sie ein paar Worte mit Ihren Eltern. Sie haben sich große Sorgen gemacht, seit…«
»Ein Monat im Tank?« fragte Rocklin ungläubig.
»Ja. Sie wurden am 27. Januar eingeliefert, und heute haben wir den ersten März. Schwere Erfrierungen und allgemeine Unterkühlung. Ihre Körpertemperatur war auf etwa fünfundzwanzig Grad abgesunken, als man Sie fand, Mr. Rocklin. Aber das ist alles überwunden, Sie…«
»Mußten Sie das unbedingt tun?« fragte Rocklin. »Wozu denn immer einmischen? Darf ein Mensch nicht sterben, wenn er möchte?«
Der Arzt sah ihn an, als würde er ihn mit Wonne auf der Stelle einschläfern. »Das Leben wird uns bei unserer Geburt anvertraut, Mr. Rocklin. Wir haben kein Recht, dieses Gut von uns zu weisen. Und jetzt sprechen Sie mit Ihren Eltern.«
Heinson und der andere Arzt verschwanden aus Rocklins Blickfeld.
Seine Mutter blickte auf ihn hinab.
»Leon, warum hast du das getan?«
»Weil ich das Leben satt hatte«, antwortete er ungerührt.
Sie kämpfte mit den Tränen. »Dreimal in einem halben Jahr! Ach, Leon, begreifst du denn nicht, daß du nach Jeffs Tod alles bist, was wir noch haben?«
»Ich und zwanzig Millionen Dollar.«
»Können wir uns denn ums Geld einen anderen Sohn kaufen?« fragte sie vorwurfsvoll. »Ach, Leon, warum bist du so schlecht zu uns? Warum nur?«
Er schwieg.
Jetzt geriet sein Vater in sein Blickfeld: streng, hart, und nach allem, was geschehen war, doppelt weit von Rocklin entfernt. Wie immer kein Mann vieler Worte, sagte er bloß: »Damit erreichst du bei ihm nichts, Myra. Mit Logik lassen sich Selbstmordabsichten nicht entkräften. Es gibt nur ein einziges Mittel, das hier hilft, und das werden wir auch anwenden.«
Haßerfüllt blickte Rocklin zu seinem Vater auf. »Wovon sprichst du?«
»Du wirst einen Begleiter bekommen«, sagte sein Vater in einem Ton, der keine Widerrede duldete.
Ehe er noch protestieren konnte, verließen seine Eltern das Zimmer. Rocklin beschloß, kein Wort mit ihnen zu reden. Er zog sich in einen Panzer zurück, der ihn genau so lückenlos umgab wie die Nährlösung, in der er einen Monat gelegen hatte.
Ein Begleiter! Er schäumte vor Wut. Wofür hielten sie ihn eigentlich? Für ein Kind etwa?
Ja, ein verantwortungsloses Kind, das man nicht allein lassen durfte, weil es sonst sofort wieder etwas anstellen würde. Also sorgten sie dafür, daß er dauernd beaufsichtigt wurde,
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