Diner des Grauens

Zettel auf den Weg.
    »Machen wir heute Abend was?«, stand darauf.
    Sie schickte ihre Antwort zurück. »Ja. Und bring das gute Tafelsilber von Deiner Mutter mit.«
    Er las es und zog eine Grimasse.
    Tammy griff unter das Pult und holte ihr Englischbuch he r vor. Sie gab vor zu lesen, während sie über das näher komme n de Schicksal der Welt im Allgemeinen und Mrs. Richards im Besonderen nachgrübelte.

ZWÖLF
    Rockwood hatte kein Kino, keinen McDonald's und kein Einkaufszentrum. Aber es hatte zwei Kirchen, eine heru n terg e kommene Bar und keinesfalls zuletzt Wacky Willie's Deluxe Goofy Golf, eine öde Landschaft aus verwelkten Farnen und Plastikflamingos, deren Farbe abbl ätterte. Wacky Willie hatte das »Deluxe« hinzugefügt, nachdem er die Windmühle am dreizehnten Loch von einer unbeugs a men Fledermausfamilie befreit hatte, und zwar nach einem großen und furchtbaren Kampf, der Willie für imm er als der »Fürchterliche Fledermauskrieg von Rockwood Cou n ty« in Erinnerung bleiben würde, allen anderen aber als »Damals, als Willie Tollwutspri t zen bekommen musste«. Nachts gingen die Lichter an und sämtliche Maikäfer und Moskitos (und einmal auch ein H e u schrecke nschwarm) aus einem Umkreis von hundert Meilen kamen in Scharen, um vor ihrem Halogenaltar zu beten – was den unvermeidl i chen, unglücklichen, haarsträubenden Zw i schenfall zur Folge hatte. Insektenfriedhöfe bedeckten den Boden um die Lampen. Wacky Willie's Deluxe Goofy Golf war schäbig und überteuert, aber die einzige Beschäftigung im Umkreis von fünfzig Meilen (abgesehen von Kirchenveranstaltu n gen, Trinkgelagen und Rattenschießen auf dem Schrot t platz). Deshalb war der Minigolfplatz zu einem floriere n den Freizeitmittelpunkt von Rockwood geworden. Und jede Art von Mittelpunkt musste in Rockwood zwangslä u fig eine reichhalt i ge und ungewöhnliche Geschichte haben.
    Da war der Geist von Herbert Smythe. Als das eines l e ben s langen Anhängers von Wacky Willie's Goofy Golf hatte He r berts Herz am achtzehnten Loch aufgegeben, während er dabei war, das finale Hole-in-One eines perfekten Tu r niers zu schl a gen. Die allgemeine Legende besagte, dass Herbert seitdem in ruhigen Nächten, wenn die Wüste still war und nieman d zusah, erschien und eine oder zwei Runden spielte.
    Und außerdem gab es den Tag, an dem Joey Hill seinen Ball im Maul des Sperrholzalligators von Loch sechzehn verlor und ihm beinahe der Arm abgebissen wurde, als das Reptil eine unmögliche Minute lang scheinbar lebendig wurde. Loch sechzehn verschluckte immer noch jeden Abend ein paar Bälle – und diese Snacks, die nie wieder gesehen wurden, durfte es behalten.
    Dann kam der Monat, in dem sich der violette Me n schenfresser von Loch vier spontan selbst entzündet und einen vollen Monat lang gebrannt hatte, bevor er genauso unvermittelt wieder ausging. Er überstand das Feuer relativ unbeschadet, bis auf die über seinen drei Augen einge b rannten Worte »Tut Buße«.
    Diese Zwischenfälle waren nur ein kleiner Teil der unerklä r lichen Vorkommnisse bei Wacky Willie. Willie hatte Brosch ü ren für die Touristen drucken lassen. Er hatte sogar eine davon verkauft, was bei dem stolzen Preis von fünf Dollar an sich schon ein ziemlich unerklärliches Vorkommnis war.
    Angesichts seiner Geschichte war es zu erwarten, dass es Earl und Duke zu Wacky Willie verschlagen würde. Das hatte wenig – wenn überhaupt – mit dem Gesetz der › A n ziehung Anormaler Phänomene ‹ , aber alles mit dem Gesetz › Erdrücke n der Langeweile ‹ zu tun.
    Der Pick-up hielt auf dem Schotterparkplatz.
    »Das ist doch Schwachsinn«, grunzte Earl.
    Duke stieg aus und ging zu der schrägen Holzhütte h i nüber, wo Kunden Bälle und Schläger mieten konnten.
    Earl streckte den Kopf aus dem Fenster und schrie: »Warum können wie nicht einfach ein Bier trinken g e hen?«
    Der Werwolf ging weiter.
    »Allmächtiger Gott.« Grummelnd kletterte der Vampir aus dem Truck und rannte ihm nach. »Die haben eine Bar, Duke!«
    »Ich versuche, nicht zu trinken, Earl.«
    »Ach, komm schon, ein Bier macht doch nichts aus . Und selbst wenn, dann schläfst du eben mit Loretta. Du könntest wahrscheinlich sowieso mal wieder einen guten Fick gebra u chen.«
    Sie kamen an dem baufälligen Tickethäuschen an. W a cky Willie selbst saß in der wackligen, ungestrichenen Kiste. Seine Haare und der Bart waren lang und wirr. Ein dicker Schnurrbart versteckte seinen Mund. Seine Haut, oder