Diner des Grauens
verletzt?«
»Nö.«
Und die Fragerunde ging weiter. Tammy stellte sich als eine effiziente Helferin heraus, doch sie ließ einen endlosen Strom an Fragen und Bemerkungen über verschiedene Themen auf ihn niedergehen: von Bands über Filme bis zu Jungs und Liebling s gerichten. Duke, der nicht der Typ für Small Talk war, antwo r tete mit kurzen Jas und Neins, oder wann immer es möglich war mit Nicken oder Kopfschü t teln. Bis sie mit der Küche fertig waren, wusste er mehr über Tammy, als er jemals hatte wissen wollen.
»Musst du heute nicht zur Schule?«, fragte er schlie ß lich, mit der Geduld am Ende.
»Ich schwänze.« Sie legte die Finger auf die Lippen. »Du verrätst mich doch nicht, oder?«
Duke konnte sich ein halbes Lächeln nicht verkneifen. Sie hatte etwas an sich, das es schwierig machte, ihr böse zu sein. Selbst wenn sie es schaffte, etwas Verärgerung hervorzurufen, klimperte sie mit den Wimpern, lächelte oder lachte, und jedes Gramm Ärger löste sich auf.
»Willst du mir helfen, die Vordertüren zuzunageln?«
»Klar.«
Sie hielt die Bretter fest, während er die Nägel ei n schlug. Als sie fertig waren, legten sie eine Pause ein, setzten sich an einen Tisch und tranken Limo.
»Weißt du, du hast tolle Hände.« Sie griff über den Tisch und schnappte sich eine seiner Hände. Ihre zierlichen Finger zeichneten die tiefen Rillen in seiner Handfläche nach. »Deine Haut ist so rau, wie Leder. Und diese Narbe hier macht dich richtig interessant.«
Sie deutete auf eine feine Narbe direkt unterhalb des Ballens. Ein Pentagramm, Zeichen des Tiers. Es war je nach Mondphase stärker oder schwächer zu sehen, ve r blasste aber nie vollstä n dig.
»Woher hast du die?«, fragte sie.
»Lange Geschichte.«
»Ach, komm schon. Du kannst es mir sagen.«
»Hab einen Werwolf überfahren.«
»Ja, klar.«
»Ich schwörs bei Gott.«
Er machte sich nie die Mühe, die Wahrheit über die Narbe zu verschweigen. Nicht, dass viele Leute danach fragten. Aber von denen, die es taten, glaubte ihm sowieso keiner. Sich eine Geschichte auszudenken, selbst ansat z weise, schien ihm eine Verschwendung von Zeit und Mühe zu sein.
Sie grinste. »Selbst ein Mann, der reinen Herzens ist und se i ne Gebete spricht … «
»Ich hasse diesen Film«, sagte Duke.
»Was ist mit American Werewolf in London ? Den musst du doch mögen.«
»Ist ganz okay.«
Sie beugte sich näher zu ihm hin. Der Ausschnitt ihres T-Shirts öffnete sich und enthüllte einen verlockenden Ausblick auf ihr Dekollet é . »Und welchen Film magst du?«
»Frankenstein Junior.«
Er entzog seine Hand ihrer sanften Berührung. Es war nicht leicht, aber ein Werwolf zu sein hatte ihn die Tuge n den der Selbstkontrolle gelehrt.
»Duke, findest du mich hübsch?«
Er machte sich nicht die Mühe zu lügen. Sie kannte die An t wort.
»Ja, schon.«
Sie wickelte eine Strähne ihres schwarzen Haares um ihren Finger. »Willst du rummachen?«
Die Frage überraschte ihn nicht. Sie strahlte einen Pa a rung s duft aus, den er aus einer Entfernung von einer Meile riechen konnte.
»Nein, danke. Ich mache mich besser wieder an die A r beit.«
Er stand auf und ging zurück in den Lagerraum.
Tammy war zu überrascht, um ihm zu folgen. Niemand hatte sie je zurückgewiesen. Nicht, dass sie viele gefragt hatte. Nur Chad und Denise Calhouns Freund und ihren Physiklehrer. Der Lehrer hatte ihr zunächst widerstanden, war ihr dann aber schnell erlegen. Sie hatte immer gewusst, hatte es auch immer vorausgesetzt, dass sie jeden haben konnte, den sie wollte. Doch der Werwolf verschmähte sie. Allein der Gedanke war unvorstellbar. Und dennoch, die Zurückweisung war kein vollkommen unangenehmes Gefühl. Es erregte sie, dass Duke zu verführen eine H e rausforderung werden würde.
Sie liebte Herausforderungen.
NEUNZEHN
Earl erwachte mit einem unbezwingbaren Verlangen nach Kaffee.
Die Physiologie der Untoten war so beschaffen, dass Koffein – wie die meisten anderen körperfremden Substa n zen – keine r lei Wirkung auf sie hatte. Er konnte ohne schädliche Wirkung literweise Arsen trinken oder sich den ganzen Tag lang Zyank a litabletten einwerfen. Er war von Klapperschlangen gebissen worden und hatte als Mutprobe Rohrreiniger geschluckt, ohne dass ihm auch nur übel geworden wäre. Knoblauchsuppe dag e gen verursachte bei ihm sofort juckende, eitrige Wunden, doch abgesehen von dieser Ausnahme gab es kein Gift oder Leben s mittel auf dieser Erde, das ihm spürbar
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