Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
und der Abschaffung des schlechten Gewissens, wenn man etwas nicht schafft oder nicht so schafft wie gewünscht. Man hat mit dem Leben als solchem doch schon alle Hände voll zu tun. In vielen Ländernist es beinahe ein Vollzeitjob, Staatsbürger zu sein; in Italien nehmen sich Menschen einige Tage frei, wenn sie einen Amtsgang tätigen wollen, in Argentinien ist die Beschaffung eines neuen Ausweises ein bürokratischer Akt, der den Job des Warteprofis hervorgebracht hat: Gegen Geld stellt er sich in die verschiedenen Schlangen, unterschreibt qua Vollmacht und informiert per Handy den Auftraggeber, falls dessen persönliche Anwesenheit kurzfristig nötig ist.
Seit weit über zweitausend Jahren forschen Philosophen, Moraltheoretiker, Ethiker, Theologen und seit einiger Zeit auch Neurologen sowie eine Menge selbsternannter Zuständiger daran, wie ein Gewissen zustande kommt und wie und warum es so schnell schlecht wird. Aus der Mehrzahl der Theorien und Erklärungsversuche lässt sich destillieren, dass das Gewissen ein Handlungskorrektiv auf der Basis von Wertvorstellungen ist: Es soll uns davor bewahren, Schlechtes zu tun – wobei wir die Definition von «Schlechtem» aussparen wollen, um uns nicht in philosophische Grabenkämpfe einzumischen, bevor die eine oder andere Seite gewonnen hat. Das Gewissen bezieht sich also auf Gegenwart und Zukunft, die beiden Handlungsebenen, die man noch beeinflussen kann. Das schlechte Gewissen hingegen bezieht sich auf die Vergangenheit und hat es dementsprechend schwer, noch etwas zu ändern.
Statt sich dem schlechten Gewissen hinzugeben, das doch der Fehlervermeidung dienen sollte, kann man sich fragen: Was genau werfe ich mir eigentlich vor? Habe ich tatsächlich etwas falsch gemacht? Wenn ja – wie kann ich den gleichen Fehler beim nächsten Mal vermeiden? Oder wenigstens beim übernächsten? Das schlechte Gewissen entsteht nämlich mit Vorliebe dann, wenn man ein vermutetes eigenes Fehlverhalten im Diffusen belässt; sobald man über die Fehlernachdenkt und sich damit auseinandersetzt, verschwindet es. Oft muss darauf nicht einmal eine Aktion folgen, denn günstigerweise laufen viele Lernprozesse ohne unser Zutun im Hintergrund ab.
Aber auch für Menschen, die der Auseinandersetzung mit den eigenen Handlungen lieber ausweichen, hält unsere Natur Lösungen parat. Schon mit geringem Aufwand lässt sich schlechtes Gewissen in Reue umwandeln. Außer ein wenig Einsicht erfordert Reue nämlich keinerlei Tätigkeit, die man nicht auch im Liegen oder nebenbei beim Radfahren verrichten könnte. Dafür reinigt Reue die Seele wie eine Beichte bei sich selbst. Sogar wer weder sich analysieren noch irgendetwas bereuen möchte, hat noch Chancen auf die Abschaffung des schlechten Gewissens. Ein Forscherteam aus Toronto und Chicago hat kürzlich nachgewiesen, dass simples Waschen auch das Gewissen reinigt. Besonders die Hände zu waschen wirkt hier wie eine Säuberung von Schuld und Selbstvorwürfen. Nicht zufällig gibt es in den Religionen, die seit Jahrtausenden am spirituellen Markt von den Kunden gut nachgefragt werden, symbolische Waschzeremonien: die christliche Taufe, die jüdische Mikwe, das islamische Wudu’, die Buddha-Waschung im Buddhismus und viele andere.
Besser noch, als das schlechte Gewissen loszuwerden, nachdem es entstanden ist, ist zweifellos, es gar nicht erst entstehen zu lassen. Die vorher angesprochene Haltungsänderung ist dafür von großem Vorteil, wie in den folgenden Kapiteln des Buches zu sehen sein wird. Den ersten Schritt in diese Richtung kann man gehen, indem man sich sein Lebensziel ins Bewusstsein ruft. Diejenigen, die jetzt etwas vollkommen anderes als «glücklich werden» anführen, möchten sich bitte die entsprechenden Ratgeber wie «Stinkreich in 30 Tagen», «Pflichterfüllung – weil es sich so gehört» oder «Ein besserer Mensch nach nur 50 Wiedergeburten»kaufen. Wir möchten uns in diesem Buch darauf konzentrieren, wie man selbst in diesem Leben mit so wenig zusätzlichem Aufwand wie möglich glücklicher wird. Die Abschaffung des schlechten Gewissens in Arbeitsdingen und anderen Pflichten gehört dazu. Dabei folgen wir dem Utilitaristen Jeremy Bentham ein gutes Stück des Weges. Zur Erinnerung: Utilitaristen glauben, dass man stets so handeln solle, dass das größte Glück für die meisten Beteiligten dabei herauskommt. In der Frage, woher dieses Glück kommen sollte, war Bentham nicht wählerisch: «Kegeln ist genauso gut
Weitere Kostenlose Bücher