Dinner for One auf der Titanic
Lächeln.
»James?«, sagte sie noch einmal. Ihr Tonfall war gespielt überrascht.
»Hat er sich an den Kartoffeln vergriffen?«
»Warum reden alle dauernd über Kartoffeln?«, entgegnete der Kapitän. »Diese Miss Sterlingtree ist ganz vernarrt ... Aber zur Sache. Unser Mr. Finch-Meyers hier ist überzeugt, dass James bis zu einem gewissen Grade mit dem Anarchisten Andrej Balgakov, der sich versteckt hält, konspiriert.«
»Und jetzt wollen Sie wohl meine Suite durchsuchen?«
Mr. Finch-Meyers räusperte sich.
»Nein, das wird nicht nötig sein, obschon wir auf einer Durchsuchung der Kabine von James bestehen müssen.«
»Müssen Sie das?«
»Ich fürchte, es ist unumgänglich.«
»James hat sicher nichts dagegen einzuwenden, nicht wahr, James?«
»Sehr wohl, Miss Sophie.«
Sollten sie doch durchsuchen, was sie wollten. Aber was suchten sie eigentlich?
Miss Sophie tat so, als ginge es gleich in die großen Ferien. Sie klatschte in die Hände.
»Nun denn, auf zu einer Reise in die Tiefen des Schiffes, auf zu den unteren Klassen. Wie wunderbar, eine Expedition. Sie entschuldigen mich, meine Herren, auf diese ethnologischen Studien muss ich mich vorbereiten.«
Miss Sophie rauschte in ihr Ankleidezimmer. Dass mit diesen »etolologischen Studien« musste er mal im Wörterbuch nachschlagen. Sicher wieder eine ihrer Gemeinheiten.
»Wann haben Sie den Fürsten zum letzten Mal gesehen?«, fragte Finch-Meyers.
»Beim Abendessen«, sagte James.
Miss Sophie steckte den Kopf durch die Tür.
»Oh nein, James, ich habe Sie doch noch an der Schiffsbar mit Fürst Balgakov flüstern und einen zwitschern sehen. Erinnern Sie sich an diese unschöne Situation?«
Warum riss sie ihn so rein? Konnte sie keine Ruhe geben? Sie hatte doch selbst genug Dreck am Stecken.
»Es gibt Indizien, dass sie mit diesem Mann zusammenarbeiten«, sagte Finch-Meyers.
»So?«, fragte James und versuchte, Erstaunen zu heucheln.
»Nur Sie können ihn mit den nötigen Informationen versorgt haben, die zum Tode des bedauernswerten Mr. Oscar Smooth Gentle führten. Ich denke da an eine gemeinschaftliche Erpressung.«
James zuckte die Achseln. Am besten, er schwieg. Schließlich hatte er seine Pfanne sorgfältig geputzt. Blutspritzer waren darauf nicht zu finden.
Aber warum entwickelte Miss Sophie diesen unglaublichen Ehrgeiz, ihn wortwörtlich in die Pfanne zu hauen? War sie immer noch wütend, weil er, James, mit Smooth Gentle zusammen die Initiative ergriffen hatte? Oder wollte sie ihn ans Messer liefern, um Fragen nach dem umgelegten Schalter der Kartoffelschälmaschine zu vermeiden? Aber es gab schließlich keine Beweise. Die Stiefel waren zweifellos längst in einem der Kesselfeuer gelandet und alles andere, nun ja.
Finch-Meyers zupfte an seinem Ohrläppchen.
»Allerdings bin ich mir über die Motivlage noch nicht im Klaren. Ich vermute, dieser Anarchist hat versucht, Mr.Smooth Gentle zu erpressen. Schließlich reiste er mit einer falschen Identität. Aber welche Rolle spielt dieser Tiger, für dessen Wohlergehen nun die gute Miss Sophie sorgt? Wurde er gar als Tatwaffe missbraucht?«
Welch bahnbrechende Erkenntnis! Schließlich hatte er, James, höchstpersönlich dem Borddetektiv diesen Zeitungsartikel unter der Tür durchgeschoben.
»James, neben dem Artikel befindet sich eine handschriftliche Notiz, die nach erstem, aber sicherem Augenschein mit Ihrer Handschrift identisch ist. ›Sehn Sie mahl‹, ist dort zu lesen. Bemerkenswert die schwache, gut gemeinte Orthografie. Wollten Sie damit den armen Smooth Gentle erpressen?«
James schüttelte den Kopf. Dieser Borddetektiv war ja gemeingefährlich.
»Auf in die dritte Klasse. James?«
Miss Sophie warf sich einen Umhang über die Schultern. Am Arm trug sie ihre Handtasche, in der Hand hielt sie eine kleine Petroleumlampe. Die Handtasche war ungewöhnlich prall gefüllt. Was führte sie im Schilde?
»Oder wollen Sie vorher noch eine Leibesvisitation an mir vornehmen?«, flötete Miss Sophie, an den Kapitän gewandt.
»Liebend gern«, sagte Kapitän Smith. »Aber ich fürchte, das wird nicht nötig sein.«
* * *
Patsymoon Sterlingtree öffnete die Tür zur Kabine von Jessup Finch-Meyers. Sicher war auch ohne seine Anwesenheit und besonders angesichts dieser ungewöhnlichen Umstände der Zutritt erlaubt. Der Raum war ja ohnehin inzwischen eine Art Besprechungszimmer, eine Zentrale ihrer gemeinsamen Ermittlungen.
Sie stellte Balgakovs Schuhe vor den Tisch und schrieb
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