Dinner for One Killer for Five
tatsächlich in einem Mostrichfass ertrunken. Und nur dem als »Medium« in der okkulten Szene bekannten Mr. Winterbottom war es zu verdanken, dass sie nicht als Würstchenbeilage auf den Papptellern gelandet war. Nach einer seiner »Visionen« hatte man gerade noch rechtzeitig vor der Abfüllanlage die Leiche aus dem Senf gezogen.
Wer weiß, vielleicht hatte es dieser Fall doch in sich. Womöglich konnte man Miss Sophies Andeutung, da bahne sich ein Kapitalverbrechen an, als eine Art Prophezeiung deuten. Seine Frau Muriah würde jedenfalls mächtig stolz auf ihn sein, wenn es im gelänge, ganz ohne die Hilfe des Chefs einen wirklich wichtigen Fall zu lösen. Und was würde erst der Chefinspektor sagen?
* * *
James tupfte mit einem Geschirrtuch die Reste des Teesuds von dem Gemälde. Er hatte den Earl of Peabody genau am linken Auge erwischt. Nun sah der Jägersmann so aus, als wäre er in eine Rangelei mit einem Wildschwein geraten. Kein Wunder, wenn einem schwer arbeitenden Mann bei einem derart hochnäsigen Grinsen der Geduldsfaden riss. Oh, wie hasste er diese piefigen Visagen, die es Miss Sophie so angetan hatten. James rieb heftiger auf dem Bild herum. Ein Ratschen verhieß nichts Gutes. Vorsichtig drückte er die Leinwand zurecht und stieg von der Anrichte. Mit einem bisschen Klebstoff und Leim würde sich das eins, zwei, drei wieder richten lassen.
Auch wenn Miss Sophie sich unnahbar gab, er trug das Unterpfand ihrer Liebe an seinem Herzen. Im Saum seines Frackrevers. Es war das Symbol seines Ja-Wortes, das er ihr in der Stille seines Herzens gegeben hatte.
James hob die beiden Leuchter an und wischte unter ihnen Staub. Mit größter Konzentration widmete er sich dem Polieren der vier Portwein-Gläser.
Grollend zog der Gong durchs Haus. James zuckte zusammen und ließ ein Glas fallen. Klirrend zersprang der Kelch in tausend Scherben. Nie würde er sich an dieses donnernde Geräusch gewöhnen! Der Konstrukteur der Glocke musste ein Verehrer Richard Wagners gewesen sein. Ein Ungetüm aus Walhalla hatte er da geschaffen. Eilig zog er ein Tuch aus der Tasche und schob die Scherben hinein. Plötzlich tropfte Blut auf den Teppich. Notdürftig wickelte James ein weiteres Taschentuch um den verletzten Finger.
Erneut rollte der Gong durch Rosen-Manor.
James brummte ein »Ja, ja« und schlurfte zur Tür.
Der Mann mit dem schwarzen Umhang musterte ihn mit starrem Blick. James wollte die Tür wieder schließen, doch irgendetwas hielt ihn zurück, zog ihn magnetisch in den Bann dieses Mannes. Vor sich sah er diese buschigen Augenbrauen und in den Augen zwei dunkle Bergseen, in denen man ertrinken konnte.
»Sir?«
»Winterbottom mein Name, Mr. Winfrid Winterbottom. Man sagte mir im Yard, dass ich angemeldet sei. Es geht um diese unerklärlichen Vorkommnisse in Rosen-Manor.«
Seine Stimme war tief und ließ keinerlei Unsicherheit erkennen.
»Bitte folgen Sie mir«, sagte James und führte Mr. Winterbottom in den Salon.
Winterbottom nahm auf einem der Stühle Platz und wartete. James wusste nicht so recht, was er von diesem Besucher halten sollte.
Seltsame Gestalten schneiten in dieses Haus.
Zwei Minuten später wehte Miss Sophie in ihrem safrangelben Kleid in den Salon.
James bemerkte, dass sie wieder einmal entschieden zu viel Rouge aufgelegt hatte. Auch war ihre Stimme zu hoch. Direkt unnatürlich. Blasiert.
»Mr. Winterbottom, willkommen in meinem Haus. Einen Fachmann für Okkultes habe ich mir allerdings ganz anders vorgestellt.«
»Hätte ich auf einem Besen einreiten sollen, Miss Sophie?»
»Und auch noch Humor!«
»Nun, Miss Sophie, ich bin ein Mensch mit gewissen medialen, von der modernen Wissenschaft nicht zu greifenden Fähigkeiten. Aber deswegen bin ich noch lange keine Jahrmarktattraktion. Manchmal staune ich selbst, was da alles aus mir herauskommt.«
Beide kicherten. James wusste nicht, was daran lustig sein sollte. Miss Sophie schien Gefallen an diesem Mann zu finden. Sie begann zu lispeln!
»Mr. Winterbottom, Sie sind also eine Art Geisterjäger?»
»Geister sind auch nur das, was wir selbst sind. Eine Bündelung von Energien, die ein paar Jahrzehnte hält, weil sie immer im Fluss ist. Geister sind nur etwas, sagen wir, durchlässigen. Da zählt man in Jahrhunderten.«
»Und ein Philosoph sind Sie also auch!«
Miss Sophies Stimme wurde noch heller, Mr. Winterbottom brummte.
»Das ist übertrieben. Es gibt Dinge, die sind unsichtbar und beeinflussen doch unser Wohlergehen. Wissen
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