Dinner fuer drei Roman
wäre. Vielleicht würde Dash ja, wenn sie ganz allein war, endlich mit ihr sprechen. Ihr Atem bildete in der Kälte eine frostige Wolke, als sie sich gegen die abblätternde Rinde einer langblättrigen Pinie lehnte. Warum hast du mich nicht mitgenommen? Warum bist du ohne mich gestorben? , fragte sie ihn unglücklich.
Erst allmählich wurde sie sich der Tatsache bewusst, dass am anderen Ende der Lichtung in der Nähe ihres Wohnwagens jemand stand. Chantal hatte immer schon gesagt, es sei gefährlich, dass sie ganz allein in ihrem Wohnwagen lebte, der so weit vom Ochsenstall entfernt war, doch sie hatte natürlich nicht auf sie gehört. Sie spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten.
Er hob den Kopf und sah sie. Seine Haltung hatte etwas Bedrohliches an sich. Seit ihrer Rückkehr in den Park hatte sie schon häufiger irgendwelche Landstreicher überrascht, die jedoch bei ihrem Anblick immer die Beine in die Hand genommen hatten und schnurstracks davongerannt waren. Dieser Mann hingegen machte nicht den Eindruck, als hätte er die Absicht zu fliehen.
Bis zu diesem Augenblick hatte sie nicht gedacht, dass ihr an ihrer eigenen Sicherheit noch genug lag, um sich vor irgendwas zu fürchten, doch selbst über eine Entfernung von zwanzig Metern hinweg war sie sich der Bedrohung bewusst, die dieser Mann ausstrahlte. Er war wesentlich größer als sie, breitschultrig und kräftig, mit langem, wirrem Haar und einer Furcht einflößenden Klappe über dem Auge. Regen perlte glitzernd von seiner alten Lederjacke, und seine schlammbespritzten Jeans hatten offenbar schon längere Zeit keine Waschmaschine mehr gesehen.
Als er sich immer noch nicht rührte, keimte für den Bruchteil einer Sekunde die Hoffnung in ihr auf, er würde einfach verschwinden, doch stattdessen kam er plötzlich langsam auf sie zu.
»Das hier ist Privatgelände«, bellte sie ihn an und hoffte,
ihn mit ihrer Stimme ebenso einzuschüchtern wie die meisten anderen.
Schweigend kam er näher, ehe er schließlich, höchstens vier Meter von ihr entfernt, im Schatten der Bäume stehen blieb.
»Was haben Sie hier zu suchen?«, herrschte sie ihn an.
»Ich bin mir noch nicht ganz sicher.« Sie hörte den leichten Akzent, konnte ihn jedoch nicht zuordnen.
Ein eisiger Schauder rann ihr über den Rücken. Sie war sich der Leere der Lichtung und der Tatsache bewusst, dass Gordon und Chantal sie selbst dann nicht hören könnten, wenn sie aus voller Kehle schrie.
»Das hier ist Privatgelände«, wiederholte sie.
»Ich mache nichts kaputt.« Wieder sprach er mit diesem sanften fremdländischen Akzent.
»Verschwinden Sie von hier«, befahl sie. »Sonst rufe ich den Wachmann.«
Doch gleichzeitig fragte sie sich, ob er wusste, dass es keinen Wachmann gab, denn ihre leere Drohung schüchterte ihn offensichtlich nicht im Geringsten ein.
»Weshalb solltest du das tun?«, fragte er.
Am liebsten wäre sie davongelaufen, doch ihr war klar, dass er sie schon längst eingeholt hätte, bis sie den Ochsenstall erreichen könnte. Während er sie reglos anstarrte, hatte sie das dumpfe Gefühl, dass er über etwas nachdachte. Und sie wusste auch, worüber. Er überlegte sich, ob er sie ermorden sollte oder ob ihm eine Vergewaltigung ausreichte. Einen Moment lang hatte sie das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben. Plötzlich fielen ihr die Fernsehsendungen über wahre Verbrechensfälle wieder ein, die Chantal und Gordon immer im Fernsehen sahen, und sie fragte sich, ob er vielleicht in einer von ihnen erwähnt worden war. War er vielleicht auf der Flucht?
»Du erkennst mich nicht, stimmt’s?«, fragte er denn auch.
»Sollte ich?« Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und am liebsten hätte sie aus vollem Hals geschrien. Sie verfolgte wie gebannt, wie er noch näher auf sie zutrat.
Instinktiv trat sie selber einen Schritt zurück und streckte ihren rechten Arm aus, als könnte sie ihn damit abhalten. »Kommen Sie ja nicht näher!«
»Honey, ich bin’s. Eric.«
Ganz allmählich drangen seine Worte in ihren von Furcht umnebelten Verstand, dennoch dauerte es einige Augenblicke, bis sie tatsächlich begriff, wer vor ihr stand.
»Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er mit einer flachen, toten Stimme, aus der der exotische Akzent plötzlich verschwunden war.
»Eric?«
Es war Jahre her, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, und die zahllosen Fotos in Zeitungen und Zeitschriften hatten mit diesem bedrohlich wirkenden einäugigen Fremden nicht die
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