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Dinner mit Rose

Dinner mit Rose

Titel: Dinner mit Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Hawkins
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Grillwürstchen und einer Tüte Knabberzeug beladen schlenderte ich hügelabwärts durch die Stadt, vorbei an Mrs McClintock, die aus irgendeinem unerfindlichen Grund noch um halb sieben an einem verhangenen Maiabend draußen Wäsche aufhängte, dann weiter hinter den Fußballplätzen durch und quer über die Bahngleise. Der Nebel, der die Einwohner von Waimanu im Winter so oft plagt, zog bereits auf, und die Stadt wirkte verfallen und trostlos. Andererseits bieten die Bahngleise in Prag oder Nizza an einem nebligen Herbstabend vermutlich auch keinen erhebenden Anblick.
    Scott wohnte in einem winzigen Schuhkarton von einem Haus in einer von Waimanus schlechteren Wohngegenden. Seine Parzelle war mit einer drei Meter hohen Wellblechwand eingezäunt, und auf seiner Rasenfläche standen ungefähr fünf alte Autowracks. Ich war mir ziemlich sicher, dass er hauptsächlich so lebte, um seine Eltern zu ärgern, ein affektiertes Paar, das aufeinander abgestimmte beigefarbene Schuhe trug und über einigen Einfluss im hiesigen Bridgeclub verfügte.
    Sein Miniwohnzimmer wimmelte von kleinen Kindern – Clares ältester Sohn Michael hatte sich in eine Harley-Davidson-Fahne gewickelt und rannte wie ein winziger, vermummter Kreuzritter umher, während Lucy hoffnungsvoll an einer leeren Bierflasche nuckelte. Beim Anblick des Gastgebers konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen – es war ein köstlicher Anblick, Scotty mit seinem ungekämmten Spitzbart und in Lederweste ein Baby auf dem Schoß schaukeln und zugleich eine Flasche Bourbon und Cola öffnen zu sehen.
    Demnach waren sowohl Brett und Clare als auch Cheryl und ihr Mann da. Ansonsten kannte ich niemanden mit Namen, obwohl mir ein paar Leute vage bekannt vorkamen.
    »Tante Jo!«, brüllte Charlie und warf sich überschwänglich gegen meine Knie, was mich zutiefst rührte, bis ich merkte, dass er nicht an mir interessiert war, sondern nur an dem Junk-Food, das ich mitgebracht hatte.
    Nach ungefähr einer halben Stunde gab Scott Cheryl das Baby zurück und ging in die Garage, um den Grill anzuwerfen. Sämtliche Männer begleiteten ihn, um sein Tun zu überwachen (obwohl selbst ein ganzes Team von Grillexperten nicht verhindern konnte, dass die Würstchen außen verbrannt und innen roh auf die Teller kamen), während die Frauen im Haus blieben, um zu plaudern, Nasen abzuwischen und Streitigkeiten zwischen völlig überdrehten Vorschulkindern zu schlichten.
    »Kommt dir das nicht auch irgendwie komisch vor?«, sagte ich zu Cheryl und stellte meine Cidreflasche beiseite, um auch einmal ihr Baby knuddeln zu können. »Sieh uns an – man könnte fast denken, wir wären erwachsen.«
    »Ich weiß«, nickte sie. »Vermutlich haben unsere Eltern ähnlich empfunden – so als würden sie nur vorgeben, Erwachsene zu sein, dabei wären sie eigentlich erst sechzehn.«
    »Du hast ein ausgesprochen niedliches Kind in die Welt gesetzt.« Ich ließ zu, dass der kleine Maxwell an meinem Zeigefinger knabberte. »Gut gemacht.«
    »Ja«, stimmte sie todernst zu. »Ich mag ihn ganz gerne. Du solltest auch mal darüber nachdenken.«
    »Allmählich gelange ich auch zu dieser Einsicht. Ich muss mich nur noch zwischen Bob McIntosh und Dallas Taipa als potentiellen Vätern entscheiden.« Dallas hatte starkes Übergewicht und trug Hosen, die irgendwo zwischen Gesäßmitte und Intimzone saßen, und er litt unter einer heftigen Sehnenscheidenentzündung im rechten Fuß.
    Cheryl prustete in ihr Orangensaftglas. »Was für eine deprimierende Vorstellung«, sagte sie. »Da lässt sich doch sicher noch was Besseres finden.« Sie strich ihrem Sohn eine spinnwebfeine Haarsträhne aus der Stirn. »Hast du vor, hierzubleiben, Jo? Nach meinem Mutterschaftsurlaub will ich nur noch halbtags arbeiten, und Sue vom Krankenhaus hat mir gesagt, sie hätte dich dort gern in ihrer Belegschaft.«
    »Keine Ahnung«, erwiderte ich fröhlich. »Ich habe beschlossen, mir die nächsten sechs Monate darüber nicht den Kopf zu zerbrechen.« Mein Leben lang hatte ich jede Entscheidung sorgfältig abgewogen. Lamm oder Kalb als Festtagsessen? Eine Praxis für Kassen- oder nur für Privatpatienten? Zu Weihnachten nach Hause fahren oder meine Kreditkartenrechnung bezahlen? Ein Haus mieten oder eine Hypothek aufnehmen? Ich listete jeweils alle Pros und Kontras auf und verbrachte Wochen mit peinlich genauen Nachforschungen – einmal brauchte ich eine Woche, um mich zwischen einer dunkelblauen und einer beigefarbenen

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