Dinner mit Rose
lieb und bringst mir ein Glas?«, bat Rose. Und als er aufstand, fügte sie hinzu: »All dieses Mitgefühl sollte man lieber ausnutzen, findest du nicht?«
»Soll ich dir ein pochiertes Ei machen, Tante Rose?«, erbot sich Kim eifrig.
»Süße, im Moment würde es wohl kaum drinbleiben. Aber trotzdem danke.«
»Wie viele Chemos bekommst du?«, erkundigte ich mich.
»Eine habe ich hinter mir, fünf vor mir.« Sie seufzte. »Hurra!«
»Rosie.« Hazel betupfte sich erneut die Augen. »Ich bleibe heute Nacht hier.«
»Dazu besteht kein Anlass«, widersprach Rose.
»Ich bestehe darauf.« Hazel ließ nicht locker.
»Na schön, wie du willst. Aber wir sehen uns nicht Dancing with the Stars an. Das kann ich in meinem angegriffenen Zustand nicht ertragen.«
Kapitel 9
Wäre sehr dankbar für Tipps, wie man Brandflecke von der Decke wegbekommt! Muss in Zukunft daran denken, FondueAbende nicht zusammen mit Tequila-Abenden zu veranstalten – gefährliche Kombination. Bringt aber total viel Spaß!
M it zusammengepressten Lippen loggte ich mich bei Facebook aus. Ich sollte die Zicke einfach von meiner Freundesliste löschen – es war wie das Herumknibbeln an einem Schorf. Du weißt, dass du alles nur noch schlimmer machst und die Wunde viel besser heilt, wenn du die Finger davon lässt, aber der Zwang, es trotzdem zu tun, ist fast unwiderstehlich.
Ich sah auf die Uhr: drei Minuten vor halb vier. Um halb hatte ich einen Termin, aber Carol Abbot war chronisch unpünktlich. Ich hatte eigentlich noch schnell eine Tasse Tee trinken wollen, bevor sie eintrudelte, stattdessen schrieb ich eine E-Mail an Stu.
Hey mein Lieber, warst du in der letzten Zeit mal in der Nähe des Hauses? Laut der Facebook-Updates meiner besten Feindin Chrissie findet da fast jeden Abend eine Party statt – und alles klingt sehr viel aufregender, als es zu meiner Zeit war. Allerdings haben mich ihre Bemerkungen über Brandflecken an der Decke ein wenig beunruhigt. Wenn die beiden das Haus im Rahmen ihrer Spaßorgien in eine Bruchbude verwandeln, wird das den potentiellen Käufern gar nicht gefallen.
Das Leben im sonnigen Waimanu plätschert relativ glücklich vor sich hin, auch wenn es hier im Gegensatz zu deinen Vorhersagen nicht von testosteronstrotzenden, kernigen Farmerburschen wie in McLeod’s Töchter wimmelt. Oder wenn doch, dann benötigt keiner eine Physiotherapie. Trotzdem kann ich mich nicht beklagen – erst gestern brachte mir ein Mann Ende vierzig mit Mundgeruch und Poren wie Mondkratern ein Afrikanisches Veilchen mit und lud mich ein, am Samstag mit ihm zum Rugby zu gehen. Es tut gut zu wissen, dass ich noch eine andere Möglichkeit habe, als meine Kleider mit Batikmustern zu färben, meine BHs wegzuwerfen und mit siebzehn Katzen in einem Schuppen zu leben. Das Einzige, was zwischen mir und dem totalen Glück steht, ist der Umstand, dass bei Tante Rose gerade Krebs diagnostiziert wurde. Sie ist entschlossen, sich von einer solchen Bagatelle nicht unterkriegen zu lassen, aber die Chemo setzt ihr ziemlich zu.
So, ich muss los und einen Knöchel verarzten. Bleibt es dabei, dass du zu dieser Orthopädentagung nach Wellington kommst? Wäre schön, dich zu sehen.
Alles Liebe, Jo.
Nachdem ich auf »Senden« gedrückt hatte, stand ich auf, um ein wenig mit Amber zu plaudern. Sie hatte zurzeit Probleme mit Männern (oder vielmehr ging der junge Bursche, auf den sie ein Auge geworfen, den sie aber nicht anzusprechen gewagt hatte, jetzt mit Freda von der Tankstelle aus), und sie brauchte Mitgefühl und Schokoladenkekse, um den Tag ohne Tränenausbrüche durchzustehen. Amber war schon an ihren besten Tagen immer ziemlich verschnieft, aber wenn sie in Tränen zerfloss, würde sie den Anmeldebereich der Klinik überschwemmen.
»Oh Gott, zwei hinter mir, vier vor mir«, sagte Rose am Dienstagabend matt.
Sie lag in ihrem Satinmorgenrock auf der Chaiselongue unter dem Küchenfenster. Dieses Möbelstück war das prächtigste, das ich je gesehen hatte. Es bestand aus schwerer, dunkler Eiche, wog ungefähr eine Tonne, hatte große Klauenfüße, und von der abgeschabten Samtrückenlehne glotzte ein Greif herab. Als kleines Kind hatte ich fest daran geglaubt, dass der Greif lebendig war, und offen gestanden würde es mich auch heute nicht überraschen, wenn er die Flügel ausstrecken und den Schnabel aufreißen würde.
»Ich weiß, dass du dich total beschissen fühlst, aber so, wie du daliegst, wirkst du trotzdem sehr elegant«, tröstete ich
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