Dinnerparty
Laura ist tot. Victor Rubens stand vor sieben Jahren unter dem Verdacht, eine Frau erschlagen zu haben. Und jetzt hat er sich umgebracht. Ich würde wirklich gerne wissen, wie das zusammenhängt. Und ich bin mir sicher, dass in dem Brief eine Erklärung steht.«
Ben wollte nur noch weg. Die Fliegen machten ihn irre. Es war ihm ein Rätsel, wie Sophie das aushalten konnte.
»Man wird deine Fingerabdrücke finden.«
»Eben nicht. Als ich die Drohbriefe kopiert habe, habe ich das Paar Gummihandschuhe aus dem Verbandskasten benutzt. Ich habe sie später ins Handschuhfach gestopft. Und da sind sie immer noch.«
Sie würde die Handschuhe sowieso holen.
»Okay. Ich laufe zum Wagen und bringe dir die verdammten Dinger. Aber danach rufen wir Stefan an.«
Ben war froh, den Schauplatz für einen Moment verlassen zu können und richtig durchzuatmen. Trotzdem beeilte er sich. Er würde sich erst wieder besser fühlen, wenn die Polizei vor Ort war.
Wenige Minuten später streifte sich Sophie die Handschuhe über und löste vorsichtig den zerknüllten Brief aus Victor Rubens’ steifer Faust. Die Fliegen schwirrten wie verrückt um ihren Kopf herum.
»Die Totenstarre hat bereits eingesetzt.«
»Bitte, Sophie, erspare mir die Details. Mir ist schon schlecht.«
»Ist ja schon gut. Immerhin wissen wir jetzt, dass der Todeszeitpunkt bereits einige Stunden zurückliegt. Wahrscheinlich hat er sich in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden erschossen.«
»Und nun gammelt er hier in der Mittagshitze herum.« Ben hätte am liebsten gebrüllt, dass ihm der Todeszeitpunkt persönlich vollkommen egal war und dass es unwichtig war, ob sie nun davon wussten oder nicht. »Die Polizei muss sich jetzt um die Sache kümmern. Nicht wir. Also, was ist jetzt mit dem Brief?«
»Es ist ein Abschiedsbrief.«
»Wieso habe ich damit gerechnet? Verdammt, Sophie. Lies vor. Ich halte es hier keine Sekunde länger aus.«
Abschiedsbrief
Es tut mir sehr leid, dass ich viele Menschen mit diesem Abtritt enttäusche, aber ich kann nicht anders.
Besonders Dich, liebe Marlene, bitte ich um Verzeihung.
Auf mir lastet zu viel Schuld. Mit meinem Hass auf Laura, die mich mehr verletzt hat als jeder andere Mensch in meinem langen Leben, ist meine Geschichte hier zu Ende.
Ich habe Laura Crown umgebracht. Ich habe sie nur aus diesem Grund mit einem Rollenangebot wieder in mein Umfeld gelockt. Ich hätte sie schon damals erschlagen. Leider traf meine Wut eine Unschuldige. Ich bereue das zutiefst. Krista starb nicht durch einen tragischen Unfall. Ich habe sie für Laura gehalten und mit voller Absicht gegen den Tisch gestoßen. Wollte ich Laura schon damals töten? Ja! Ich habe sie gehasst, weil sie mich als einziger Mensch behandelte wie eine Küchenschabe. Sie verachtete mich. Und ich habe sie so geliebt. Krista starb durch meine Hand, weil ich blind war vor Hass. Jetzt hat Laura, was sie schon seit Jahren verdient. Laura war ein schlechter Mensch und ich bin es auch.
Sophie knüllte den Brief wieder zusammen und steckte ihn vorsichtig zurück zwischen Rubens’ steife Finger. Angeekelt streifte sie sich die Handschuhe ab und stopfte sie in eine leere Zigarettenschachtel, die sie glücklicherweise in ihrer Handtasche gefunden hatte. Zusammen mit Ben entfernte sie sich vom Anglerhäuschen und atmete tief durch. Erst jetzt spürte sie, wie der seltsame Geruch und die Fliegen ihr zugesetzt hatten. Ben zündete zwei Zigaretten an und reichte ihr kommentarlos eine. Dankbar griff sie zu und zog gierig. Sie fühlte sich furchtbar. Das Bild von Rubens’ halbem Gesicht und von seinem grauen Hirn hatte sich in ihren Kopf gebrannt. Ben schien es ähnlich zu gehen.
»Du hast nicht zufällig einen Schnaps im Wagen?«
»Leider nicht. Eigentlich sollte so was in den Verbandskasten gehören, oder?«
»Wir müssen die Polizei anrufen. Sofort. Das ist dir doch hoffentlich klar?«
Sophie nickte und drückte die Zigarette aus. »Das weiß ich. Ich rufe Stefan an.«
Mit leicht zittrigen Fingern rief sie seine Nummer im Mobiltelefon auf. Sie war darauf gefasst, dass Stefan sie nicht gerade freundlich begrüßen würde. Und sie behielt recht.
»Sophie, geh mir nicht auf den Keks!«, blaffte Stefan.
Bevor er einfach auflegen konnte, zischte sie knapp: »Männliche Leiche gefunden!«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille.
»Ich sagte gerade, dass ich eine Leiche gefunden habe.«
»Das habe ich gehört. Wo?«
»Wo? Am Kellersee vor einem
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