Diplomat der Sterne
Pressevertreter. Trotz Ihrer Starrköpfigkeit ist es mir gelungen, alle Vorbereitungen zu Ende zu führen.«
Retief schnaubte verächtlich und blickte auf seine Uhr: es blieben ihm weniger als drei Stunden. Gerade Zeit genug, mit einem Flachwagen nach Hause zu kriechen, die zeremonielle Uniform anzulegen und wieder zurückzukriechen.
Draußen vor dem Gebäude winkte er einem vorbeirumpelnden Bus und stellte sich in eine Ecke der Plattform. Er beobachtete die gelbe Sonne Beta, die über dem niedrigen Horizont aufstieg. Das nahe Meer stand jetzt hoch, es war Flut unter dem Zug der größeren Sonne und der drei Monde, und die steife Brise trug salzige Gischt herüber. Retief schlug seinen Kragen gegen die Feuchtigkeit hoch. Und in einer halben Stunde würde er unter den vertikalen Strahlen der ersten Mittagssonne schwitzen – aber dieser Gedanke half auch nicht gegen die augenblickliche Kälte.
Zwei Jugendliche kletterten auf die langsam dahinschwankende Plattform und gingen zielbewußt auf Retief zu. Dieser bewegte sich vom Geländer fort und beobachtete sie, sein Gewicht ausbalanciert.
»Das ist nahe genug, Jungs«, sagte er. »Es ist reichlich Platz auf der Plattform vorhanden, ganz unnötig, sich zusammenzudrängeln.«
»Es gibt da gewisse Filmaufnahmen«, murmelte der Anführer der beiden. Seine Stimme war ungewöhnlich tief für einen Jugendlichen. Er war in einen schweren Umhang gehüllt und bewegte sich etwas ungelenk. Seine Jugend war vermutlich fast beendet, dachte Retief.
»Ich habe es euch bereits gesagt«, warnte Retief. »Kommt mir nicht zu nahe!«
Die beiden Fustianer traten trotzdem näher, und ihre Schlitzmünder schnappten auf und zu vor Ärger. Retief streckte einen Fuß aus, hakte ihn hinter das schuppige Bein des überalterten Jugendlichen und warf sein Gewicht gegen die verhüllte Brust. Der schwerfällige Fustianer stolperte und fiel dann schwer zu Boden. Retief war schon an ihm vorbei und von dem Flachwagen abgesprungen, bevor der andere Jugendliche seinen vergeblichen Ausfall in Richtung der Stelle, wo Retief gestanden hatte, beendet hatte. Der Terraner winkte dem Paar fröhlich nach und sprang an Bord eines anderen Fahrzeugs. Er sah, daß seine Möchte-gern-Angreifer ebenfalls von dem Wagen hoppelten und sich schwerfällig davonmachten, während sie ihre winzigen Köpfe verdrehten, um Retiefs schwindender Gestalt mit den Blicken zu folgen.
Sie wollten also den Film, dachte Retief und zündete sich eine Zigarre an. Da kamen sie etwas zu spät. Er hatte ihn bereits in die Stahlkammer der Botschaft eingeschlossen, nachdem er eine Kopie für die entsprechende Akten angefertigt hatte. Und ein Vergleich der Zeichnungen mit denen des veralteten Mark-XXXV-Schlachtkreuzers, der vor zweihundert Jahren von der Concordiat-Marine verwendet worden war, ergab, daß sie fast identisch waren – mit Geschützen und allem. Und die Bezeichnung »veraltet« war letztlich relativ. Ein Schiff, das bei den Galaktischen Streitkräften veraltet war, konnte in den östlichen Gefilden immer noch eine erstklassige Waffe sein.
Aber wie hatten diese zwei von dem Film erfahren? Niemand außer ihm selbst und dem Oldtimer konnte davon wissen – und Retief war bereit, jede Wette einzugehen, daß der alte Fustianer ihnen nichts erzählt hatte.
Zumindest nicht freiwillig …
Retief runzelte die Stirn, warf seine Zigarre aus dem Wagen, wartete, bis das Vehikel ein Schlammloch umrundet hatte, schwang sich dann herunter und machte sich auf den Weg zur Werft.
Die Tür, aus den Angeln gerissen, war wieder lose gegen die Türöffnung gelehnt worden. Retief blickte sich in dem verwüsteten Innern der Hütte um. Der alte Bursche hatte sich mächtig gewehrt.
Im Staub hinter dem Gebäude waren tiefe Schleifspuren zu sehen. Retief folgte ihnen über den Hof. Sie verschwanden unter der Stahltür eines Lagerhauses.
Retief blickte sich um. Jetzt, um die Mittelstunde des vierten Zyklus, lagerten die Arbeiter am Rand des Erholungsteichs, in ihrer Siesta versunken. Retief nahm ein vielfältiges Werkzeug aus der Tasche und versuchte es mit verschiedenen schlüsselartigen Gebilden. Das Schloß klickte auf, und Retief schob die Tür gerade so weit beiseite, daß er eintreten konnte.
Vor ihm türmten sich Stapel von Warenballen. Retief schaltete die winzige Lampe im Griff des Kombinations-Werkzeugs ein und blickte über die Ballen hinweg. Ein Stapel schien verschoben zu sein – und der Staub auf dem Boden davor war verwischt.
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