Dir darf ich nicht gehören
Kirby würde bald
hierher kommen, sie würden sich unterhalten und zu einer Vereinbarung über die
Wiederaufnahme ihrer Karriere gelangen. Und sie würden erneut eine geeignete
Lügengeschichte ersinnen, damit ihre Familie niemals die Wahrheit erfuhr.
Vielleicht,
dachte Viola, während sie ihren Tee trank und Marias Geplapper über die
neuesten Nachrichten von Ben lauschte, sollte sie es ihnen selbst sagen -
jetzt, bevor ihr Leben wieder ein Netz von Lügen und Täuschung würde.
Aber
sie konnte einfach nicht. Ihrer aller Leben wäre ruiniert. Onkel Wesley war
über die Jahre ungeheuer freundlich zu ihnen gewesen. Er hatte niemals wieder
geheiratet, nachdem seine junge Frau nur ein Jahr nach ihrer Heirat bei einer
Totgeburt gestorben war. Seine Schwester und ihre Familie waren zu seiner
Familie geworden. Er hatte sie freudig und ohne Klagen unterstützt. Viola
konnte nicht zulassen, dass er ruiniert würde. Und da waren Claire und Maria
und Ben, die eine gute Zukunft verdient hatten. Ihrer Mutter ging es
gesundheitlich nicht allzu gut. Sie würde die Last nicht tragen können.
Nein,
sie konnte es nicht tun.
Kapitel 20
Es war bereits der
zweite Tag, an dem Ferdinand von Gasthaus zu Gasthaus ritt. Er hielt seine
Suche für vollkommen sinnlos. Er würde ungefähr eine Woche auf diese Art
verschwenden und sie dann unweigerlich entweder sehen - im Park oder im
Theater oder über seine Bekannten von ihr hören. Lilian Talbot war zurück,
würde es heißen, so wunderschön, so verführerisch, so kostspielig wie eh und
je. Lord Soundso war der Glückliche, der sich ihre Dienste zuerst sichern
konnte, und Lord Soundso als Zweiter...
Wenn er
klug wäre, würde er wieder zu Selby gehen und ihn auffordern, die Dokumente der
Übereignung Pinewoods zu zerreißen. Dann könnte er selbst dorthin zurückkehren -
und für den Rest seines Lebens dort bleiben.
Aber er
war noch nie für seine Klugheit bekannt gewesen.
Und er
war genau zum falschen Zeitpunkt im White Horse Inn eingetroffen, dachte er,
als er auf den gepflasterten Hof ritt. Eine Postkutsche bereitete sich gerade
auf die Abfahrt vor. Überall waren Menschen, Pferde und Gepäck und viel Lärm und
Aufsehen. Aber ein Stallbursche erkannte ihn als Gentleman und eilte zu ihm, um
ihn zu fragen, ob er sein Pferd nehmen solle.
»Vielleicht«,
sagte Ferdinand, aus dem Sattel vorgebeugt. »Aber ich bin nicht sicher, ob ich
hier richtig bin. Ich suche nach einem Wirt mit dem Namen Thornhill.«
»Dort
drüben steht er, Sir.« Der junge deutete auf eine dichte Menschenmenge nahe der
Kutsche. »Er ist beschäftigt, aber ich werde ihn rufen, wenn Sie
»Nein.«
Ferdinand stieg ab und gab dem jungen eine Münze. Ach werde drinnen warten.«
Der
Wirt war groß und wohlbeleibt. Er scherzte mit dem Kutscher. Sein Name war
Thornhill. Konnte die Suche möglicherweise so leicht enden?, fragte sich
Ferdinand.
Er trat
geduckt durch den Eingang und fand sich in einem dunklen, mit Balken versehenen
Vorraum wieder. Ein schlankes, hübsches junges Mädchen mit einem Tablett
schmutziger Teller in Händen knickste vor ihm und wäre weitergelaufen, wenn er
sie nicht angesprochen hätte.
»Ich
suche Miss Viola Thornhill«, sagte er.
Da sah
sie ihn unvermittelt an. »Viola? Sie ist im Frühstückszimmer. Soll ich sie
rufen?«
»Nein«,
sagte er. Ihn schwindelte beinahe. Sie war also hier. »Welcher Raum ist das?«
Sie
deutete hin, blieb stehen und beobachtete, wie er darauf zuging.
Es war
noch etwas Zeit, bevor die Postkutsche abfahren sollte, dachte er, während er
im Eingang stehen blieb. Sie war erst halb besetzt. Dann sah er Viola, die ihm
zugewandt auf der anderen Seite des Raumes saß. Sie unterhielt sich mit einem Mann,
der ihr gegenübersaß.
Ferdinand
stand da und beobachtete sie, zwischen Erleichterung, Zorn und Unsicherheit hin-
und hergerissen. Er hatte noch keinen Entschluss gefasst, wie er weiter
vorgehen würde, wenn er sie gefunden hätte. Er könnte auf den Tisch zugehen,
die Dokumente neben ihre Untertasse legen, sich verbeugen und schweigend wieder
gehen. Dann könnte er sein Leben mit ruhigem Gewissen weiterleben.
Aber
bevor er sich dazu entschließen konnte, geschahen zwei Dinge.
Der
Mann wandte den Kopf zur Seite, um aus dem Fenster zu blicken. Ferdinand konnte
sein Gesicht nicht vollständig sehen, aber er sah genug, um ihn zu erkennen. Er
kannte ihn nicht persönlich, aber vermutlich würden die allermeisten Männer
seiner Klasse Daniel Kirby erkennen. Er war ein
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