Dir darf ich nicht gehören
welch einem Vollidioten war er in diesein kurzen, unbesonnenen Moment
geworden?
Sie
errötete und ihre Augen funkelten. Er wartete, innerlich das Gesicht
verziehend, auf den Schlag auf die Wange, den er zweifellos bekommen würde -
er würde sich nicht verteidigen, da er tatsächlich im Unrecht gewesen war. Aber
ihre Hände blieben gesenkt.
»Lord
Ferdinand«, sagte sie kalt und mit zitternder Stimme. »Sie haben vielleicht
Grund zu der Annahme, Pinewood gehöre Ihnen. Aber ich gehöre keineswegs dazu.
Ich gehöre mir selbst. Ich habe es wohl schon zuvor erwähnt, aber ich sage es
gerne noch einmal, falls Sie mir beim ersten Mal nicht geglaubt haben. Ich bin
niemandes Mätresse. Ich gehöre nur mir selbst.«
Sie
wandte sich um und schritt davon, nicht den Flussweg entlang, sondern darüber
hinweg und das jenseitige, steile Ufer hinauf, um über der Kuppe zu
verschwinden.
Zum
Teufel!, dachte Ferdinand. Was, zum Donner, hatte ihn geritten? Er war hier
herausgekommen, um entschieden aufzutreten, um sich durchzusetzen, um die Frau
loszuwerden, und hatte sie stattdessen geküsst und etwas so verflixt Peinliches
gemurmelt, dass er sich des genauen Wortlauts gar nicht mehr erinnern wollte.
Mein
tüchtiges Mädchen vom Lande.
Jedes
Wort einzeln genommen genügte, um ihm eine Woche lang Unbehagen zu bereiten.
Gott,
sie hatte sich gewissermaßen vor seinen Augen verwandelt. In einem Moment ein
mit Gänseblümchen geschmücktes Mädchen vom Lande und im nächsten Moment eine
kühle, verschlossene Lady.
Er
wünschte plötzlich, er könnte so eisern entschlossen und skrupellos sein, wie
Tresham es in einer solchen Situation gewesen wäre. Die Frau wäre bereits
gestern gegangen und heute schon vergessen gewesen.
Wie,
zum Teufel, sollte er sie loswerden?
Er ging
den Flussweg entlang zurück, tief enttäuscht darüber, nichts geregelt, sondern
seine Probleme nur verschlimmert zu haben. Er musste sich irgendwo in Ruhe
hinsetzen und einige Stunden nachdenken. Pläne machen. Und sie dann
durchführen. Aber sobald er einen Fuß ins Haus setzte, erkannte er, dass er
nicht bekommen würde, was er brauchte - zumindest eine Zeit lang nicht.
Die Eingangshalle schien vor Menschen zu bersten, die sich bei seinem Eintreten
alle umwandten und ihn erwartungsvoll ansahen.
»Jarvey?«
Ferdinand pickte den Butler heraus und hob fragend die Augenbrauen.
»Mr.
Paxton erwartet in der Bibliothek Ihre Rückkehr, Mylord«, berichtete Jarvey
ihm. »Und eine Anzahl Leute wünschen von Ihnen gehört zu werden.«
»Paxton?«
»Der
Verwalter von Pinewood, Mylord«, erklärte Jarvey.
Ferdinand
sah sich nach all den schweigenden Menschen um, die von ihm gehört zu werden
wünschten, und wandte sich schließlich der Bibliothek zu.
»Dann
sollte ich ihn besser ohne weitere Verzögerung aufsuchen.«
Viola ging den Weg
entlang, bis sie das Gefühl hatte, sich ausreichend beruhigt zu haben, um
wieder anderen Menschen begegnen zu können. Sie hatte mit ihm fast wie mit
einem Freund gesprochen. Sie hatte sich von ihm küssen lassen.
ja, sie hatte es zugelassen. Sie hatte irgendwie gewusst, sobald er ihr die
Gänseblümchenkette aus der Hand genommen und umgelegt hatte, dass er es tun
würde. Sie hätte ihn aufhalten können. Aber sie hatte es nicht getan. Die ganze
Zeit, als er neben ihr gesessen hatte, halb aufs Gras zurückgelehnt, hatte sie
gegen die Wirkung seiner Anziehungskraft auf ihren Atem, ihren Herzschlag, ihre
Nervenenden angekämpft.
Sie
wollte ihn nicht anziehend finden. Sie wollte ihn hassen. Und sie hasste ihn tatsächlich.
Sie
wandte ihre Gedanken entschlossen wieder dem Brief zu, ließ die Hand in ihre
Tasche gleiten und schloss die Finger darum. Die Antwort lautete nein -
nochmals nein.
»Wir
sind dir für deine liebe Einladung alle sehr verbunden«, hatte Claire
geschrieben. »Du musst wissen, wie sehr wir uns danach sehnen, dich nach so
langer Zeit wiederzusehen. Zwei Jahre sind eine zu lange Zeit. Aber Mama hat
mich gebeten, in ihrem Namen unser tiefstes Bedauern auszusprechen und zu
erklären, warum wir nicht kommen können. Sie hat das Gefühl, dass sie unserem
Onkel zu viel schuldet, besonders jetzt, wo er so großzügig war, Ben zur Schule
zu schicken. Sie hat das Gefühl, dass sie hier bleiben und aushelfen muss, so
gut sie kann. Aber sie vermisst dich schrecklich, Viola. Wir alle tun das.«
Viola
war enttäuscht. Sie spürte weniger die Abgeschiedenheit - sie hatte
gelernt, sie durch verschiedene Aktivitäten und
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